„Schreiben, was man gerne liest“

Flora Montán verrät, was sie beim Schreiben motiviert und worum es in ihrer preisgekrönten Kurzgeschichte geht

Rosa Jiménez-Claussen alias Flora Montán
Foto: Jörg Teichfischer

Birgit: Liebe Flora, in den vergangenen Monaten hat dein Schreiben enorm an Fahrt aufgenommen. So hast du nicht nur einen Roman geschrieben, sondern du hast mit deiner Kurzgeschichte „Adiós“ unter dem Namen „Flora Montán“ den zweiten Preis beim Bremer Literatur-Wettbewerb „Treffpunkt Bürgerpark“ gewonnen: Worum geht es in deiner Geschichte und was gefällt dir daran am besten?

Flora: Es geht um eine 18jährige aus Bremen, die unter den Corona-Maßnahmen leidet: Sie trauert darüber, dass ihre spanische „abuela“, ihre Oma, an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt, ohne dass sie sich von ihr verabschieden kann. Unterwegs im Bürgerpark trifft die junge Frau überraschend den alten Heinrich Heine und wird von ihm getröstet. Doch es geht nicht nur um diese Begegnung, eine Rolle spielen auch die verschiedenen Stadtteile in Bremen, unterschiedliche Bildungs- und Schichtzugehörigkeiten und die Identitätssuche der jungen Frau, deren Eltern Roma sind. Es hört sich vielleicht nicht so an, doch die Geschichte ist trotz der ernsten Themen lustig und tröstend. Das ist es auch, was mir gefällt. Ich möchte liebevollen Humor bewahren und mich und andere ermutigen.

Birgit: Dein Name ist Rosa Maria Jiménez-Claussen, warum hast du die Geschichte unter dem Namen „Flora Montán“ veröffentlicht?

Lauschige Plätze im Bürgerpark

Flora: Mein eigener Name kommt im Spanischen extrem häufig vor, etwa so wie „Monika Müller“ im Deutschen. Und für literarische Texte finde ich „Rosa Jiménez-Claussen“ zu sperrig.

Birgit: Was war für dich wichtiger: Das Gewinnen oder das Schreiben der Geschichte?

Flora: Natürlich ist es supertoll, Anerkennung zu bekommen, aber was mir dauerhaft hilft, ist das Schreiben an sich. Im Falle dieser Geschichte war es allein schon deshalb wichtiger als der Gewinn, weil ich mit dem Preis gar nicht gerechnet habe. Für mich war es das erste Mal, dass ich als Erwachsene an einem Schreibwettbewerb teilgenommen habe.

Birgit: Wenn jemand dich fragen würde: „Wie schaffe ich es, ein Buch zu schreiben?“ Was würdest du antworten?

Flora: Ich würde sagen: Es kommt darauf an, was für ein Typ Mensch du bist und was dich aufbaut und zum Schreiben motiviert. Für alle, die etwas veröffentlichen möchten, gilt jedoch, dass sie zäh sein müssen und sich nicht entmutigen lassen dürfen. Und was natürlich immer hilft, sind Zeit und Muße. Als erwerbstätige Mutter mit kleinen Kindern habe ich etliche Bücher begonnen. Doch die Entwürfe liegen unvollendet in der Schublade. Schließlich sollte man schreiben, was man selbst gerne liest. Bei mir sind das nun mal Erzählungen, Ratgeber und Liebeskomödien mit Happy End.

Birgit: Was hat dir beim Schreiben noch geholfen?

Flora: Mich bringt der Austausch mit anderen Autor:innen weiter. Auch die Schreibsalons und Schreibcamps mit dir sind für mich inspirierend und ich finde, dass die Treffen durch das digitale Format gewonnen haben. Die Möglichkeit, sich mit Frauen aus ganz Deutschland, aus Österreich und der Schweiz am Bildschirm auszutauschen, gemeinsam zu schreiben, sich vorzulesen und sich gegenseitig zu ermutigen, ist doch ein positiver Effekt der Pandemie. Außerdem habe ich gelernt, dass ich mir Hilfe holen kann. In Bremen haben wir mit dem „Literaturkontor“ und dem „Literaturhaus“ hilfreiche Anlaufstellen.

Seen und Kanäle machen den Bürgerpark reizvoll.

Birgit: Manche Autor:innen spornen selbst gesetzte Deadlines beim Schreiben an. Wie ist das bei dir?

Flora: Anderen mag der Zeitdruck beim Schreiben helfen, mir nicht. Das Bewusstsein über die begrenzte Lebenszeit als Mensch hilft mir da schon eher. Daneben motivieren mich meine Wut und mein Trotz, die dann während des Schreibens verfliegen und immer darin münden, dass ich versuche, zwischen verschiedenen Personengruppen zu vermitteln.

Birgit: Ist es aus deiner Sicht wichtig zu wissen, was dich beim Schreiben antreibt?

Flora: Ja, Schreibende sollten sich selbst eingestehen, was sie motiviert und weshalb sie über bestimmte Themen auf ihre ganz eigene Art schreiben. Ganz egal, wie die eigenen Strukturen entstanden sind, es ist hilfreich, sie zu erkennen. Ich möchte zum Beispiel Verständnis wecken und vermitteln: In meinem ersten Buch über deutsche Rentner:innen an der Costa del Sol versuche ich, zwischen Deutschen und Spaniern zu vermitteln. In meinem Ratgeber versuche ich, das Verständnis zwischen Eltern und Schule zu verbessern. In meiner Kurzgeschichte „Adiós“, meiner ersten literarischen Veröffentlichung, tauchen die Gegensätze unterschiedlicher Stadtteile und Schicht- und Bildungszugehörigkeiten auf.

Birgit: Schreiben zieht sich wie ein roter Faden durch dein Leben: Wir beide kennen uns noch aus der Phase, in der du wissenschaftlich geschrieben hast. Spielte das Schreiben auch davor eine Rolle?

Flora: Ich habe schon als Kind Tagebuch geschrieben und später Geschichten und Gedichte. Dabei war mein Ziel immer erst einmal, mich danach besser zu fühlen und nicht das Produkt. Das ist „Schreiben als Selbsthilfe“, so wie du es formuliert hast in deinem Buch.

Farbenprächtige Laubbäume

Birgit: Du hast einen Roman geschrieben. Worauf können wir uns genau freuen?

Flora: Es ist eine Komödie, die in Bremen spielt und in der es natürlich auch wieder um Konflikte geht. Diesmal handelt es sich um Konflikte zwischen sozialen Gruppen, die in der Bremer Presse häufig auftauchen. Natürlich gibt es ein Happy End und mehr verrate ich nicht.

Birgit: Auf dieses Buch freue ich mich jetzt schon. Du hälst uns auf dem Laufenden, nicht? Ich danke dir vielmals für das Gespräch.

Buchtipp: Treffpunkt Bürgerpark. Geschichten und Gedichte zum Bremer Bürgerpark. Literaturwettbewerb 2021. Kellner Verlag, 10 €

2 Kommentare zu „„Schreiben, was man gerne liest““

  1. Die Kurzgeschichte „Adiós“ finde ich sehr gelungen. Konnte mir die Charaktere gut vorstellen. Am Ende habe ich fast noch eine Träne verdrückt.
    Dieses Interview öffnet mir noch ein wenig die Augen in Sachen Autorin & Literatur.
    Bin schon gespannt auf den Roman von Flora Montán.

    1. Danke, Claudia, für deinen Kommentar. Du bist in guter Gesellschaft, denn ich glaube, seit Flora Montán mit der Kurzgeschichte bekannter geworden ist, warten so manche auf ihr Buch. Herzlich, Birgit

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