„Lose gebunden“ – Polaroids & Haikus
Eine inspirierende Verbindung!
Ruth Schneidewind erzählt über ihr jüngst erschienenes Buch
Ein Haiku zu schreiben ist für mich jedes Mal anders, mal überfällt es mich, dann hat es im Stillen gearbeitet und überrascht mich als Gedankenblitz, mal füllen sich die kleinen bunten Zettel mit Worten, mit möglichen Zeilen und es gilt, aus der Fülle an möglichen Wendungen eine stimmige Auswahl zu treffen.
Haikus, diese ursprünglich japanischen Kleinode, bestehen bekanntlich aus fünf, sieben, fünf Silben in drei Zeilen gebaut, brauchen schlichte Worte, Beobachtungen vorwiegend aus der Natur, formulieren als Aussage ein Moment von Klarheit, Berührung, Einsicht.
Haikus zu schreiben fasziniert mich schon lange, ebenso Haikus zu musizieren. Schreiben und musizieren, musizieren und schreiben. Was für eine kongeniale Beziehung! Für meine Arbeit als Musizierpädagogin immer wieder bereichernd. Wie wunderbar, die Stimmung eines Haikus mit improvisierten Tönen am Klavier einzufangen. Umgekehrt wie inspirierend zu improvisieren und daraus sprachlichen Ausdruck fließen zu lassen. Freies Improvisieren, mit welchem Instrument auch immer, ist ähnlich dem Freewriting: es darf geschehen, ganz ohne der kritischen Stimme, die uns so gerne von der eigenen Kreativität abhalten will.
Und dann das Bild. Malen zur Musik? Ja! Wunderbar. Improvisieren zu Bildern, sehr inspirierend. Aber Fotos? Polaroidfotos? Eine Polaroidkamera ist da, ein Geschenk meiner Kinder zum Geburtstag. Sie wartete schon längst auf ein Projekt. Auf dem Hausboot in Frankreich sofort ein Foto im Kleinformat in der Hand zu halten – wie verlockend!
Sich nun für jeden Tag vorzunehmen je nur ein Foto zu machen und – dazu passend, davor oder danach – ein Haiku zu verfassen wächst als Idee!
Ein Schnappschuss, der so gelingt, wie er gerade gelingt, manchmal extra gesucht, weil ein neues Haiku bereits keimt, manchmal ein Zufallstreffer, der dann auf sprachliche Assoziation wartet. Jedes Bild einmalig, unwiederholbar.
Die Idee klingt einfach. Die Durchführung gerät dann schon mal zur Herausforderung: Immer authentisch bleiben, jedem Tag einen kleinen Höhepunkt entlocken, einen Weg nochmals zurücklegen, wenn die Kamera nicht zur Hand war, aus vielen Sprachideen nur eine auswählen, der Trägheit täglich eine lange Nase zeigen aber auch niemals in Routine fallen.
Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass mich Birgit zur Idee der täglichen Haikus inspiriert hat, denn ihre Anregung, nach dem Schreiben im Journal eine „Ernte” zu verfassen um Erkenntnisse zu gewinnen, Erfahrungen zu verankern, habe ich zunächst fürs persönliche Journalschreiben aufgegriffen, nach mehreren Seiten Text fast täglich ein Haiku geschrieben und mich bei der Nachlese dankbar und bestärkt gefühlt.
Auch ein Foto des Tages hat mit „Ernten” zu tun, allerdings ist das meist ein sehr spontanes Fundstück, doch immerhin, es gilt die Beschränkung auf nur eine Ernte pro Tag und diese eine anzunehmen, genau so, wie sie ist. Schnappschüsse mit der Polaroid.
Ich lernte einiges im Umgang mit der Kamera. Ich musste sie möglichst immer bei der Hand haben, sie musste geladen sein, ich übte den Umgang mit den Lichtverhältnissen und dem verschobenen Bildausschnitt (durch die Parallaxe, wenn Sucher und Objektiv nicht den gleichen Ausschnitt sehen). Aber gerade auch zu dunkle, zu helle oder verschwommene Fotos (also „Fehler”) ergaben einen besonderen Reiz und betonten das „Unperfekte”. Polaroid, ein Medium mit Eigenleben, das geradezu nach der sprachlichen Gedichtform Haiku schreit.
Ein Haiku wirkt ebenso spontan, wie hingeworfen. Ein sprachliches Stimmungsbild, ein gefasster Gedanke. Es spricht zwischen den Zeilen, weckt eigene Assoziationen, Erinnerungen, schenkt unvermutete Gedanken.
An 85 Reisetagen entstanden ebenso viele Fotos und Gedichte und ergaben aneinandergereiht ein Buch. Erst durch diese Zusammenfassung stellte sich heraus, dass gleichzeitig ein Reisebericht entstanden ist, der viel über den Alltag am Hausboot zu erzählen vermag: das Leben und Fahren am Wasser, das Reisen in Südfrankreich.
Mein Buch ist bei der „Buchschmiede” in Wien erschienen. Die Betreuung seitens Verlags war sehr unkompliziert und freundlich, kann ich sehr weiterempfehlen! Eine Grafikerin unterstütze mich beim Layout und illustrierte die Wasserwege und Orte, die im Text vorkommen.
Ein erstes Feedback schrieb mir meine Freundin Angelika:
„Vielen Dank für Dein poetisches Buch! Natürlich habe ich inzwischen darin geschmökert, und ich finde es fantastisch, wie kreativ, sinnlich und nachdenklich Du mit den engen Vorgaben umgegangen bist. Ein wunderbares Buch! Inzwischen verwende ich folgende Methode, Dein Buch zu lesen: nicht durchlesen, sondern im Vorbeigehen eine Seite zufällig aufklappen und sich inspirieren lassen. Neugierig gemacht, darf man andere Seiten durchaus zusätzlich lesen Damit das geschehen kann, muss das Buch gut greifbar `herumliegen´. Und das tut es ”
Mehr zu mir finden Sie auf meiner Webseite: www.ruthschneidewind.at