Wer von Euch kennt Wutz, das sprechende Hausschwein, Pflegemutter des Urmel, wohnhaft auf der Insel Titiwu? Autor Max Kruse hat die „Schweinedame“ erfunden und ihr Wortgewalt gegeben. Nur das „Öff, öff“, eine Art Grunzen am Satzbeginn, erinnert an Wutz‘ tierisches Erbe – ansonsten ist sie menschlicher als mancher Mensch.
Schweine sind klug. Das beweist nicht nur die fiktive Wutz, sondern auch die ganz realen Ferkelchen im Bürgerpark, die mich bei meinen Besuchen wissend anblinzeln und lustig im Schweinsgalopp über den eisigen Matsch hoppeln. Die Tiere strahlen Lebensfreude aus und wecken meine Wehmut: Wenn sie sich im Dreck suhlen, denke ich an glückliche Tage meiner Kindheit auf dem Lande.
Ausgewachsene Schweine wecken dagegen eher traurige Erinnerungen. Meine Mutter nannte meinen längst verstorbenen Vater mit Kosenamen „Schweinchen“, wegen seiner strahlend-blauen, blitzenden Schweinsäuglein. Auch an ihn muss ich denken, wenn ich die schwarz-weißen Gesellen im Bürgerpark beobachte.
Das tut meiner Schweineliebe keinen Abbruch. Ein geflügeltes silbernes Schweinchen an einer Kette soll mir Glück in schwierigen Situationen bringen. Ich bewahre es in einer Porzellanschale auf, die ich, sorgfältig verpackt, eigens aus dem fernen L.A. im Handgepäck nach Hause transportiert habe: Die Schale ist – natürlich – mit einem geflügelten Schwein verziert.
Das erste vorgeburtliche Geschenk an meine Tochter ist ein riesen rosa Schweinekissen. Mittlerweile gibt es mindestens fünf weitere kuschelige Stoffschweine unterschiedlicher Größe und Form in unserem Haus, von denen immer eines in meiner Nähe weilt, um für Glück zu sorgen. Und nun der ultimative Beleg für meine ganz spezielle Tierliebe: Zu Weihnachten steht nicht etwa ein nach Tannen duftender, bunt geschmückter Adventskranz auf dem Tisch, sondern ein großes Holzschwein mit vier Kerzen. Überzeugt?
Es versteht sich von selbst, dass ich aus Nächstenliebe kein Schweinefleisch esse. Was nicht heißt, dass ich Marzipanschweinen widerstehen kann. Das Gegenteil ist wahr. Auch für mich sind bestimmte Schweine zu Weihnachten und Silvester reine Nutztiere.
Und demnächst könnte das sogar ganzjährig gelten; denn wir haben dem Begriff Nutztier am vergangenen Samstag im Schreibtreff eine neue Dimension hinzugefügt, die gänzlich ungefährlich für Leib und Leben der Schweinchen ist.
„Hmmh, das ist ja nicht so gut gelungen, ich weiß gar nicht, ob ich das vorlesen soll, ich kann das nicht so gut wie ihr, mir fällt immer gar nichts ein …“. Sätze wie diese haben wir wohl alle schon mal gesagt, obwohl wir dank Hemmingway und aus Erfahrung wissen, dass „shitty first drafts“ unbedingt nötig sind und Selbstzweifel und Unsicherheit uns beim Schreiben blockieren. In Schreibrunden können Selbstbezichtigungen manchmal sogar nerven, etwa wenn alle sich vor dem Vorlesen erstmal vielmals für Ihren Text entschuldigen.
„Für jede Selbstabwertung werfen wir ab jetzt 50 Cent in eine Spardose!“, schlug eine Teilnehmerin vor. „Und den Erlös spenden wir! Dann sind unsere Selbstzweifel wenigstens zu etwas gut“, überlegte ich gerade, als die Teilnehmerin den Namen des neuen Gruppenmitglieds verkündete: „Wir nennen es: Das „Zensor-Schwein“.
Über die Aufzucht und Pflege des „Zensor-Schweins“ wird in Zukunft noch zu reden sein. So ist es nicht sicher, ob es sich beim „Zensor-Schwein“ um eine reale Sparbüchse oder doch eher um ein geflügeltes Schwein, äh Wort, handeln wird. Allein die Wortschöpfung „Zensor-Schwein“ verspricht großen Nutzen. Sie wird uns daran erinnern, routinemäßig die Perlen in unseren saumäßigen Rohtexten zu sehen: „Öff, öff“!“
Ein sehr netter Text, in dem man sich richtig suhlen kann. Passend: Ich war heute Nachmittag bei den Ferkeln im Bürgerpark. Mir fiel auf, dass sie teils ähnliche Geräusche machen wie Gänseküken – ob Tierkinder so wie kleine Menschenkinder auch noch über ein universelles Lautrepertoire verfügen?
Als Zensor-Schwein bietet sich natürlich ein geflügeltes Pegasus-Sparschwein an.