Neulich war mein Zwerchfell stramm wie ein Großsegel bei Sturm und mein Herz klopfte wie Platzregen auf dem Bootsdeck. Ich erkannte: Ich bin gestresst.
Heute habe ich genauer hingeschaut: Ja, mein Herz klopft schneller, das Zwerchfell könnte ein bisschen mehr Freiheit gebrauchen, aber da ist noch mehr.
Meine Gedanken! Sie kreisen um das Konzert im Hamburger Stadtpark anlässlich unseres Hochzeitstages, auf das wir seit Monaten hinfiebern und das wir nun nicht besuchen können, weil die Karten auf dem Postweg verloren gegangen sind. Die Agentur gibt keinen Ersatz. Zu viele hätten sich mit einer ausgedachten Beschwerde schon für umsonst in Konzerte geschmuggelt.
Also ist mein Stress mehr als Stress. Er enthält auch Ärger, Enttäuschung, Wut und die Frage: Was machen mein Mann und ich jetzt zur Feier des Tages?
Jetzt habe ich immer noch Herzklopfen, doch ich weiß, woher das kommt. Ich kann meinen Stress in viel feineren Nuancen beschreiben. Und ich begreife, dass mein heutiger Stress ganz anders ist, als der vor vier Wochen, als ein Artikel fällig war, ein Workshop den anderen jagte, mein Sohn krank zu hause lag. Da war außer meinem Zwerchfell mein ganzer Körper bis in die Finger angespannt.
Das habe ich übrigens erst gemerkt, als mein Physiotherapeut ausnahmsweise mal die Arme und Hände ausführlich behandelt hat. Danach waren die Extremitäten zehn Zentimeter länger und meine Finger das erste Mal seit Monaten, ach, was sag ich, seit Jahren entspannt.
Ganz genau hinschauen und erkennen
Meine Gefühle zu sezieren, sie von innen nach außen zu wenden, oder auch nur en détail zu beschreiben, ist für mich ein aufregender Weg, mir selbst auf die Spur zu kommen und mir rasch auf einen guten Weg zu verhelfen.
Körpersignale wollen interpretiert werden, sie sind eine Sprache, die ich lernen kann.
Schreiben hilft mir hier wie in fast allen Lebenslagen. Das stressige Gefühl von vorhin ist mittlerweile sogar vergangen. Ich habe es weg beschrieben. Seit meine Worte hier im Blog stehen, hat sich mein Herz beruhigt, mein Geist ist klarer, mein Zwerchfell, nun ja, – das weite ich gleich mit ein bisschen Qigong. (Hier ein Gruß an alle Wangerooge-Fans und an Sabine, die mit uns im Juni so wunderbar das „Boot aufs Meer“ geschoben hat).
Wer mehr zu diesem neuen Weg, Gefühle besser zu verstehen, lesen möchte, wird hier fündig: Brené Brown: Atlas der Gefühle. Und: Lisa Feldmann Barrett: Eine neue Sicht auf unsere Emotionen.
Jetzt folgt wie fast immer eine Schreibanregung. Es ist ein Impuls – leicht von mir abgewandelt – aus dem frisch übersetzten Kartenspiel von Kathleen Adams, in dem sie klassische und ganz neue Journalmethoden für jede Lebenslage versammelt hat.
Impuls:
Schreibe ein Gefühl auf, das du genauer erkunden willst, weil es unangenehm, interessant oder besonders schön ist. Schreibe die Buchstaben des Gefühlswortes senkrecht untereinander. Assoziiere zu jedem Buchstaben ein Wort oder einen Satz, so dass ein kleiner Text, ein Gedicht oder einfach eine Wortesammlung entsteht. Schalte den Kopf ab, schreib einfach drauf los. Hier ein Beispiel:
A – ngeber unter den Gefühlen
N – immt mich
G – efangen
S – top sage ich: So nicht.
T – raue mich endlich, dir ins Auge zu sehen!
Dann lies deine Zeilen und schreib dir eine Ernte:
Wenn ich das lese, bin ich überrascht …
Wenn ich das lese, fühle ich …
Wenn ich das lese möchte ich …