Du kennst mich wahrscheinlich als Vielschreiberin: Für viele Jahre habe ich mindestens 30 Minuten morgens in mein Journal geschrieben. Punkt. Keine Diskussion. Selten ein Tag, an dem ich meine Routine verlassen habe. Daran hielt ich fest, weil es wunderbar funktionierte. Ich konnte mir selbst zuhören (wie es Linda Metcalf und Toby Simon vorschlagen) und meine Seele sauber schrubben (wie Julia Cameron uns rät). Außerdem hatte ich Spaß, wenn sich Wort für Wort, Gedanke für Gedanke, aneinanderreihte und mir das ein oder andere Licht aufging.
Jetzt ist vorläufig Schluss damit. Ich investiere nur knapp sechs Minuten jeden morgen. Auch heute habe ich zweimal drei Minuten geschrieben. Nein, nicht länger. Und nein, ich führe kein Sechs-Minuten-Tagebuch 😉 . Zur Erklärung stelle ich dir zunächst mein neues Lieblingswort vor:
Es heißt: Impermanence. Und es bedeutet „Unbeständigkeit“, aber weil das so negativ klingt, sage ich lieber: Wandelbarkeit. Diese Fähigkeit habe ich neu für mich entdeckt.
Nicht nur, weil Wandel die einzige Konstante im Leben ist, wie es philosophisch heißt.
Außerdem stimmt das nicht ganz. Ohne Ich-Konstanz, ohne das Gefühl, bei allem Wandel doch einen unveränderlichen Kern zu besitzen, hätten wir ein Problem. Außerdem liebe ich Routinen, Traditionen, Rituale. Sie geben sich Sicherheit und erleichtern den Tagesablauf: Für meinen Sohn wäre es vielleicht schön, wenn die Schule täglich zu einem anderen Zeitpunkt – möglichst erst nachmittags – starten würde. Für mich ist es super, dass er immer um halb acht das Haus verlässt. Das markiert den Beginn meines Arbeitstags. Abgesehen natürlich von meiner anderen Routine: Mein morgendliches Journal schreiben.
Doch beim Journal schreiben ist Wandel eingekehrt: Ich habe meine Routine einem neuen Bedürfnis angepasst. Zwei größere Herzensprojekte verlangen meine Aufmerksamkeit. Und dazu brauche ich ganz viel Zutrauen, Fokus und – weil ein Projekt noch Monate in Anspruch nehmen wird – Durchhaltevermögen. Schluss mit den unnötigen Ablenkungen: Egal, wie nötig meine Blumen Wasser brauchen, mein Schreibprojekt braucht mich nötiger.
Auf einer Fortbildung starteten wir kürzlich jeden Morgen mit zwei Journal Anregungen, die mir sowohl Zutrauen, als auch Zufriedenheit bescheren. Zunächst notiere ich drei Minuten, was mich gerade dankbar macht. Und ja, ich muss manchmal eine Weile überlegen, dann aber fällt mir meist ganz viel ein. Drei Minuten sind eine gute Zeit, damit mein Gehirn die guten Erfahrungen integrieren kann.
So bin ich in einer guten Verfassung, um mir Ziele mit Gefühl zu setzen. Aus dem Journaltreff kennst du sie als „Intentionen“. Ich schreibe also auf, was ich heute tun will und wie ich mich damit fühlen möchte. Zum Beispiel:
Intention eins: Einen Entwurf für die Ankündigung des Essaywriting-Workshops schreiben. Erwünschtes Gefühl: Zufriedenheit. Freiheit für Neues. …
Und falls du Lust auf ein bisschen was Neues hast, kannst du die Anregungen gleich ausprobieren – ich habe sie unten notiert.
Schreib mir gern, wenn du auch eine neue Routine entdeckt hast, die dir gerade gut tut. Ganz nach dem Motto: Wie es dir gefällt! Ich bin schon gespannt.
PS: Und auch darauf bin ich schon gespannt: Wie wird sich mein eigenes Journal demnächst wohl verwandeln? Die Erfahrung, von der Vielschreibern zur Kurzschreiberin zu werden, hat mir gezeigt: Mein Journal ist meine allerbeste Freundin (neben M., die aus Fleisch und Blut ist), die sich verwandelt und immer so für mich da ist, wie ich sie brauche.
Morgenschreiben:
- Stell deinen Timer auf drei Minuten und vervollständige diesen Satz, so oft du kannst und möchtest: Ich bin dankbar für …
- Stell deinen Timer auf drei Minuten und formuliere ein bis drei Intentionen. Das sind „Ziele mit Gefühl“: Was möchtest du heute tun und wie möchtest du dich dadurch fühlen?
Viel Vergnügen!