Worte wirken. Davon bin ich überzeugt. Ich habe das schon als Kind erlebt, nicht erst in meiner Poesie- und Bibliotherapie-Fortbildung am Fritz-Perls-Institut. Dort erspürten wir die Resonanz von Worten etwa in Körperübungen. Ein klitzekleines Beispiel: Wenn ich mich darauf konzentriere, entspannt das Wort Freiheit – laut ausgesprochen – zuverlässig mein Zwerchfell. Ich kann tief und frei atmen. Jedes Mal.
Viele von Euch kennen die Wirkung von Worten auch aus dem autogenen Training („Mein Arm wird ganz schwer“, „Mein Fuß wird warm“. „Mein Kopf ist kühl“.).
Mein Kinderarzt glaubt eigentlich an die Schulmedizin – und an Wortmacht. Jedenfalls schickte er mich mit meiner Tochter zu einer Heilerin, um eine Warze besprechen zu lassen.
Im Studium wollten meine Freundinnen und ich gern an Affirmationen glauben. Inspiriert von Büchern und Filmfiguren wie Doris Dörries Protagonistin, die sich täglich folgenden Satz sagte: „Ich bin klug, ich bin schön, ich liebe und ich werde geliebt“. Ich erinnere mich ehrlich gesagt nicht mehr daran, ob der Satz bei ihr gewirkt hat.
Was ich weiß, ist, dass mich Worte auf die richtige Spur bringen können. Neulich stellte ich mir eine witzige Postkarte auf den Schreibtisch, darauf stand in verschiedenen Variationen die Aussage: Dieser Tag wird grandios. Er wird prächtig, unglaublich, unvergesslich, toll, exorbitant, erfolgreich, glücklich usw.
Ganz ehrlich: Der Tag war ein Desaster, mein Drucker streikte, mein Hund (sie ist 13 Jahre alt) kollabierte und ich hatte furchtbar Angst um sie, und schließlich schnitt ich mich dreimal an scharfen Papierstreifen tief in die Finger. Es schmerzte prächtig. Exorbitant. Unvergesslich.
Aber: Die Karte auf dem Schreibtisch schaute mich bei jedem kleinen und größeren Unglück an – oder schaute ich sie an? Jedenfalls begann ich ganz automatisch, zwischen den Alltagskrisen nach Lichtblicken zu suchen.
Und wurde fündig: Eine liebe Freundin meldete sich per Mail nach langer Zeit bei mir. Mein Hund stand wieder auf. Mein Mann lud mich zum Essen ein. „Grandios“ wurde der Tag dadurch nicht, aber doch noch ganz schön „prächtig“.
Mir ist klar, die richtige Perspektive hilft nicht in jedem Fall. Und Worte können nicht alle Wunden heilen. Aber ich kann mit ihnen und mit der Art, in der ich denke und spreche, Weichen für mich stellen. Dabei sind die Worte, die uns weiter helfen, individuell ganz verschieden.
Meinen Sohn kennt ihr ja schon aus früheren Blogs. Er schwört auf die Wirkung des Wortes: „Gucci“. Nicht, etwa, weil er mit seinen T-Shirts von H&M nicht einverstanden wäre. Er drückt mit „Gucci“ aus, dass er dringend eine Portion Kuscheln braucht. Die er von mir auch meist bekommt. So hat das Wort für Max eine gehörige Macht bekommen. Selbst wenn ich gerade nicht zur Verfügung stehe.
Neulich abends konnte ich beobachten, wie Max sich vor dem Einschlafen ein paarmal „Gucci, Gucci“ sagte, er dabei ganz ruhig und zufrieden wurde und ihm dann ganz einfach die Augen zufielen.