Max rutscht allein. Die ganzen 60 oder so Meter, die unsere blaue Riesenrutsche im Bremer Südbad lang ist. Wie ein Profi. Seit Max weiß, dass die rot-blinkenden Ziffern am Ende der Rutschparty die Tagesbestzeit verraten, stürzt er sich mit immer größerem Schwung in den blauen Schlund und gleitet rücklings abwärts. Je schneller, desto besser. Je größer die Welle beim Eintauchen am Ende – desto toller.
Die Rutsche ist erst ab sechs, aber Max ist frühreif, was sportliche Betätigung angeht. Das hat er von beiden Eltern. Ich konnte erst schwimmen, dann laufen, behaupteten meine Eltern manchmal. Mein Mann verwirklicht seine Talente in anderer Weise (siehe Ende des Blogbeitrags).
In anderen Dingen hinkt Max hinterher – er hat lang gebraucht, seine nächtliche Windel abzulegen. Wir haben ihn nicht gedrängt. Alles hat seine Zeit. Es gibt die Zeit der Windel und die Zeit nach der Windel. Und irgendwann ist es soweit.
Bei uns ist es (fast) soweit. Als Maxis Kindergärtner (zwei Jünglinge unter dreißig) die Übernachtungsparty ankündigten, begann unser Sohn zu trainieren. „Ich will nachts ohne Windel schaffen“. Ja, alles hat seine Zeit. Und irgendwann ist es soweit.
Von Kindern kann man viel lernen, sagt man. Das stimmt. Kinder leben im Augenblick. Ihre Zeit ist das Jetzt. Und gleichzeitig verändern sie sich ständig. Ohne Anstrengung. Und ich verändere mich mit ihnen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich so bald mal wieder eigene Zeit haben würde. Dass ich nicht jede Sekunde „on alert“, also wachsam sein müsste. Dass ich nicht länger in jeder Sekunde bereit sein müsste, mein Baby vor dem Sturz vom Wickeltisch und mein Kleinkind vor Tischkanten zu retten. Nie hätte ich gedacht, dass ich so plötzlich, von einem Tag auf den anderen, nicht mehr zum Dauerrutschen verdammt wäre.
Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich im Schwimmbad hinter meinem Sohn die 120 Stufen zur blauen Rutsche hinaufgeklettert bin, um dann von seinem „Schneller, schneller“ angefeuert, mit ihm auf dem Schoß wieder hinunter zu rutschen. Am Ende war ich stets völlig erledigt. Bis jetzt.
Alles hat seine Zeit. Irgendwann ist es soweit.
Seit Max selbständig rutscht, kann ich wieder mal ein Buch lesen am Beckenrand oder für drei Sekunden die Augen schließen ohne zu große Sorge, dass mein Kind gerade jetzt ertrinkt.
Diese Entwicklung hat sich gerade zu langen Nachmittagen der Muße gesteigert, wenn nämlich mein Mann seinem Sohn das eigene Hobby nahebringt. Welches das ist, seht könnt ihr erraten, wenn ihr das Foto anschaut.
Ja, alles hat seine Zeit. Und ich habe jetzt meine.