Weihnachten ist das Fest der Liebe.
Konsum und all dieser Firlefanz ist prinzipiell ungut.
Geschenkt.
Manche von uns setzen dies Wissen konsequent um, schenken einander Zeit, Aufmerksamkeit, Liebe, sie schenken weniger Wohlhabenden Geld, Spenden und viele Gedanken.
Wir haben Kinder. Das ändert vieles.
Auch wir schenken einander Zeit, Aufmerksamkeit, Liebe.
Darüber hinaus schenken wir: Geschenke.
Und was das angeht, lerne ich jedes Weihnachten dazu.
Zum Beispiel dies: Kinder messen am Beschenktwerden die soziale Gerechtigkeit im Haus.
Oder dies:
Weihnachten erfordert Präzision, Konzentration und basale mathematische Kenntnisse.
Wie ich das bislang übersehen konnte, ist mir ein Rätsel.
Es fängt damit an, die Zeit vor dem Fest präzise zu planen. Diesmal lag ich gut in der Zeit, fast alle Karten waren geschrieben, Geschenke gekauft, Essen geplant.
Doch ein Patzer in den Bereichen „Konzentration“ sowie „basale mathematische Kenntnisse“ hat uns beinahe das Fest verdorben.
Bis um 19 Uhr war am 24.12. alles reibungslos und harmonisch verlaufen: Das Brunch bei lieben Freunden, der Besuch des Krippenspiels, sogar das Essen – alles war so wie es muss: angenehm, lecker, lustig, besinnlich.
Die ethisch-moralisch-traditionellen Aspekte waren ebenfalls abgedeckt: Wir hatten über Nächstenliebe gesprochen, Straßenmusikern extra viel Geld gespendet und überlegt, wie wir uns fürderhin sozial engagieren könnten.
Auch die ersten Geschenke, die wir vor dem Weihnachtsbaum übergaben (darunter ein Stoffhund für meinen Sohn, eine Umhängetasche für meine Tochter) riefen ein „Oh, wie toll“ hervor und sorgten für glänzende Augen, hauptsächlich bei mir. Dann packte mein Sohn das nächste Geschenk aus (das sein Vater gekauft hatte) und blieb stumm.
„Gefällt Dir die Drohne nicht ? (= ferngesteuertes Flugzeug im Miniformat)“, wollte mein Mann wissen.
„Ich wollte eine mit Kamera!“, maulte Max, seine Augen schon reichlich glänzend.
Ein neues Geschenk, ein neues Glück, dachte ich mir und sagte:
„Ach, schau doch mal in das große Paket da.“
Für den Inhalt war ich verantwortlich und reichlich stolz drauf: Ein mattschwarzer Roller – ein wahrer Flitzer, dicke Reifen, Bonanza-Lenker, einfach unschlagbar.
„Den mag ich nicht. Ich wollte so einen haben wie die anderen Kinder“, sagte Max, während ich noch in Gedanken an den Roller schwelgte. „So einen Roller wie Carlotta hat“, setzte Max hinzu.
Ich sah: Die Feuchtigkeit in seinen Augen würde sich in wenigen Sekunden in Tränen verwandeln.
Zu allem Überfluss registrierte ich, dass jetzt das Geschenke-Gleichgewicht unter dem Tannenbaum hinfällig geworden war. Dort lagen noch: Drei liebevoll verpackte Päckchen für meine Tochter, ein einsames für Max.
Einen Augenblick keine Konzentration und zack! – Weihnachtsfrieden dahin.
Zum Auspacken des letzten Geschenkes kam es erst mal nicht. Max war weinend die Treppe hinauf gestampft und hatte laut die Zimmertür geknallt. Ich saß wie angenagelt auf dem Sofa, während meine Tochter sich an mich kuschelte: „Mama, ich will nicht, dass Du traurig bist“.
„Hiiiiiilfe!“, dachte ich. So oder so ähnlich hatte so manches Weihnachtsfest in meiner Kindheit geendet – meine Mutter musste getröstet werden, mein Vater besänftigt. Allerdings nicht wegen unserer Geschenke (aber das ist eine andere Geschichte).
„Zumindest ist Max ehrlich“, tröstete mich mein liebender Mann.
„Ich rede mit ihm“, verkündete Carlotta.
Dann kam mir der rettende Gedanke: Wir hatten noch ein ungeöffnetes Postpaket und darin: zwei! Geschenke für Max. (Danke, liebe Absenderin P. , Du hast uns gerettet!).
So war zumindest das Gleichgewicht unter dem Weihnachtsbaum wieder hergestellt. Wenig später saß Max wieder bei uns, mit glänzenden Augen, diesmal nicht vor Wut und Enttäuschung.
Am zweiten Weihnachtstag besuchten wir meinen Bruder, meine Schwägerin und zwei Nichten, die weihnachtstechnisch um einiges weiter sind als ich:
“Das Wichtigste an Weihnachten mit Kindern ist: Immer genau gleich viele Geschenke – und am besten auch noch dasselbe darin. Alles andere endet in einer Katastrophe“.
Hätten sie mir das mal früher gesagt.