Poetry war „on the road“ – kam aber nicht an

Ich ging in der Pause. Und verpasste das Beste. Die Verse von Durs Grünbein, Nora Gomringer und Gerhard Rühm erreichten das Publikum bei der Eröffnung des internationalen Poesie-Festivals im Goethe-Theater in Bremen.

Mich hatten ihre Vorredner nicht erreicht. „Lyrik muss die Menschen berühren, sonst handelt es sich um ‚bullshit'“, hatte TJ Dema aus Botswana auf der Bühne behauptet. Ihre Verse waren musikalisch, voller Rhythmus und ich spürte eine Suche nach einer Wahrheit, die für mehr Menschen als sie selbst gilt. Berührt war ich nicht besonders.

Ihre poetische Kompetenz spürte ich dennoch. Ihre Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu spüren und Nuancen in Worte zu fassen. Allerdings glaubt TJ Dema, dass Poesie Menschen auch instruieren müsse. Wo dieser Aspekt in ihrer Poesie durchschien, erreichte sie mich nun gerade nicht.

„Gedichte sollen mir nicht die Welt erklären“, sagte meine Sitznachbarin. Sie war genervt. Ich selbst holte beim nächsten unoriginellen Vortrag über Krieg, Melancholie und Todesnähe ein Buch aus der Tasche und las heimlich. Es fühlte sich an wie ein Sakrileg. Ich klappte es wieder zu.

Poesie ist meine Medizin. Sie hilft zuverlässig – wenn ich mir selbst ein Rätsel bin, wenn sich meine Mitmenschen meinem Verständnis entziehen, wenn etwas einfach ausgedrückt werden will, für das es keinen Ausdruck gibt. Gedichte transportieren Gefühle und Einsichten in einer Nussschale, sie geben einen Rahmen und damit Sicherheit und Freiheit, eine ganz spezifische Sicht zu vermitteln.

Und das kann enorm spannend sein für die Leser. Bei Dao aus China hätte ich gern besser verstanden. Es lag nicht an seinem chinesischen Vortrag, sondern an der kantigen Übersetzung, dass ich ihm nicht folgen konnte. Bei Dao will westliche mit chinesischen Poesietraditionen verbinden, klärte mich eine Frau zwei Plätze weiter auf. Erläuterungen dieser Art hätte ich mir von der Moderatorin des Abends gewünscht. Ich lernte allerdings dies: Nicht jede Dichtung kann mich ohne Weiteres erreichen. Worte funktionieren vor allem dann, wenn wir Vorwissen und Traditionen teilen.

Mein Fazit: Ich bin wohl doch bereichert aus dem Theater gegangen – auch wenn ich das Beste verpasst habe.
PS: Poetry on the Road ist bis einschließlich heute in Bremen zu hören.

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