… sagt Rilke über den ausgehenden Sommer. Es ist zwar noch nicht ganz Zeit für den Herbst, finde ich, aber weil seine Ankündigung so schön ist, zitiere ich sie hier für Euch:
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Auf jeden Fall ist es Zeit für einen Blog-Eintrag nach der langen Sommerpause, in der Eure Stifte wahrscheinlich nicht geruht haben?! Das stimmt auf jeden Fall für die 14 Menschen, die sich am vergangenen Wochenende auf Wangerooge „Zeit für Ihre Geschichten“ genommen haben.
Im sechsten Jahr gebe ich jetzt diesen Kurs im autobiografischen Schreiben auf der idyllischen Nordsee-Insel. Jedes Mal komme ich bereichert zurück, noch voller Meeresrauschen und voll mit Geschichten. Die Teilnehmer schreiben mir, wie sehr sie inspiriert sind und welche Lust sie nun auf das Schreiben haben. Das ist ein großes Glück für mich.
Dieses Jahr wurde das Meer von einer Springflut angefeuert, schäumte besonders hoch und bot – während wir schrieben – vor den Panoramafenstern mit Blick auf Strand, See und Horizont ein ständig wechselndes packendes Programm.
Es gab Windsurfer, die atemberaubende Wenden vollzogen, Kyte-Surfer, die in den Himmel zu fliegen schienen und deren Landung ich bei jedem neuen Flug mit angehaltenem Atem erwartete. Wir sahen beinahe täglich einen Riesenfrachter. Ein kundiger Teilnehmer wusste: Er hat 18.000 Container und ist – so glaube ich zu erinnern – das weltweit größte Schiff dieser Art.
Bei all der Ablenkung schreiben zu können, scheint ein Wunder. Doch dank Gabi, die uns mit Yoga immer wieder zu uns zurück brachte, und dank der Schreibübungen, die direkt zu uns führten, gelang es.
Beglückend dann auch die kleine Lesung – mit Texten aus dem Seminar, mit einem ganz frischen Buchteil, der nach langer Abstinenz endlich auf Wangerooge geschrieben werden konnte, mit Versen – bühnenerfahren vorgetragen.
Wir kommen wieder, keine Frage, sagten viele zum Abschied. Die nächsten Termine stehen in der Tat schon fest: am 6. und 7. Februar schreiben wir im Oberdeck wieder „Statt Karneval – und für die Seele“ und am zweiten Septemberwochenende 2016 geht es weiter – nun für die etwas Fortgeschrittenen – mit der „Zeit für die eigenen Geschichten“.
Ich wünsche Euch einen schönen Sommer und dass doch noch nicht so ganz schnell Zeit ist für den Herbst. Eure Birgit
(auf dem Foto begleitet von Gabriele Borgdorf-Albers, Yogalehrerin)