Frau Kröti kam nicht vorbei.
Vergeblich wartete ich auf sie, ein über dreißigjähriges massives Exemplar der stolzen Gattung Schildkröte, das meiner Freundin Monika und ihrem Mann Walter gehört. Monika und Walter wohnen in einem Vorort von Linz, mit Terasse zum Garten, in dem Frau Kröti zwei Landhäuser besitzt, das heißt regensichere Kisten und Kästen, die Monika und Walter liebevoll ausgestattet haben. Das eine Häuschen musste Frau Kröti allerdings zwischenzeitlich aufgeben, weil eine Igel-Familie dort eingezogen war.
Das hat Frau Kröti ihnen nicht krumm genommen, im Gegenteil. Und diese feine Geste ist ein Grund, warum ich so neugierig auf Frau Kröti warte, während ich in meiner Hängematte zwischen dem Kirsch- und dem Pflaumenbaum baumele und mich frage, ob „Rascheln“ das Geräusch richtig beschreibt, das ich über mir höre – es ist eher eine Mischung aus Säuseln und Kratzen, während der Wind durch das Blätterdach streicht.
Wie es genau klingt, ist nicht ganz leicht zu sagen, weil Amseln, Sperlinge, Meisen und anderes Vogelgetier offensichtlich über mir wichtige Zwitschergespräche führen müssen und man kaum sein eigenes Wort versteht. Zutraulich picken ihre KollegInnen unter mir Körnchen und Würmchen, die sie bei Monika und Walter in Fülle finden, so dass ich die Maserung des Gefieders von meiner leicht erhöhten Warte in der Hängematte genau betrachten kann: Ich nehme mir vor, als nächstes ein Vogelbestimmungsbuch zu kaufen.
Als ich mit Max, meinem Sohn, ein wenig später am Telefon spreche, höre ich das gleiche Amsellied tausend Kilometer entfernt in Bremen. Ich bin versucht, den Hörer in den Wind zu halten, damit die Schnattertanten miteinander kommunizieren können, doch weil ich mir ein bisschen albern vorkomme, lasse ich es. Obwohl Walter und Monika es bestimmt verstanden hätten und die Nachbarn kaum über die dichte Hecke spähen und sich über mich wundern können.
Also warte ich weiter auf Frau Kröti, die nicht kommt und von der ich weiß, dass sie schon mal Babysitterin für eine ganze Igel-Kinder-Schar war. Die kleinen Igel waren auf sie hinauf geklettert und vom eindrucksvoll geprägten Panzer heruntergerutscht. Dabei haben sie bestimmt gejuchzt und gekichert, da bin ich mir ziemlich sicher: Denn Krach machen können Igel, wie ich am Abend dann lernen darf!
Später im Dunkeln, die Vögel sind inzwischen schlafen gegangen, sitzen wir beim roten Gespritzten, einer Art leichten Rotweinschorle – und lassen meinen Workshop in Monikas Buchladen Revue passieren.
Da höre ich es: Schnaufen, Kratzen, laut und deutlich, direkt vor der gläsernen Terassentür. Ich schöpfe Hoffnung, kommt doch noch Frau Kröti vorbei und stellt sich vor, bevor ich morgen in aller Frühe wieder in den Zug steige?
Monika reagiert sofort, nimmt ein Stück Kuchen vom Tisch und verschwindet im Dunkeln. Leider trifft sie nicht Frau Kröti. Es sind die Igel, die auf ihren Leckerbissen warten und laut atmend und schnuffelnd ihr Nachtmahl einfordern.
Monikas Garten habe ich in Bildern und Empfindungen in mir aufgehoben und mit nach Hause genommen – vielen Dank, Walter und Monika, für Eure Gastfreundschaft und die entspannten und inspirierenden Stunden!
Für alle, die nahe Linz an der Buchpräsentation „Schreiben zur Selbsthilfe“ teilgenommen haben und für alle meine lieben Blogleserinnen habe ich hier noch eine Schreibeinladung:
Wie wäre es mit einem Spaziergang an Eurem Lieblingsort? Danach dann eine kleine Momentaufnahme mit allen Sinnen? Das ist eine kurze detaillierte Beschreibung einer Situation, die ihr besser verstehen oder für Euch bewahren möchtet. In diesem Blog habe ich es vorgemacht und sehr genossen, da alle Eindrücke aus Monikas Garten noch mal lebendig wurden und ihre wohltuende Wirkung entfalten konnten.
Viel Spaß beim Schreiben wünscht Euch Eure Birgit