Zwei Strategien, die echte Gefühle vermitteln
Neulich im Geschichtenclub ging es um Summerstorys: Geschichten von unbeschwerten Sommerferien, die nie enden wollen. Von der großen Liebe, die begann (wie meine – mehr dazu persönlich im Geschichtenclub 😙), vom Urlaub ohne Geld – weil jemand es mir im Nachtzug nach Rom stahl oder von der Liebe zu Orten, die frau den Atem verschlugen und die sie nie mehr losließen. Welche Summerstorys trägst du in dir?
Einmal im Monat versammeln wir uns im Geschichtenclub, um die Anfangshürde beim Schreiben gemeinsam zu nehmen. Die Entscheidung: Was will ich zu Papier bringen? Welche Geschichte aus meinem Leben will aufgeschrieben werden? Oder aber: Welche fiktive Geschichte schlummert in mir und drängt zur Entfaltung? Das klappt ganz wunderbar und wenn du magst, komm einfach vorbei und probier es aus.

Und immer gibt es handwerkliche Tipps. So wie neulich. Da ging es um Maya Angelou, die hat einmal gesagt: „Am Ende des Tages werden sich die Menschen nicht daran erinnern, was Sie gesagt oder getan haben, sondern daran, dass Sie ihnen ein Gefühl gegeben haben.“
Okay, aber wie macht man das in Geschichten genau? Wie geben wir Leser:innen Gefühle? Das ist etwas, das selbst ansonsten ausgezeichnete Autoren manchmal falsch machen, weil sie bei ihren Figuren in eine distanzierte Sichtweise abgleiten. Mir ist das zum Beispiel bei meinen Hörbuch-Krimis neulich aufgefallen, in denen der Plot, nicht die Entwicklung der Person im Mittelpunkt steht. Es ärgert mich geradezu, wenn mir die Autor:innen nicht auf die Sprünge helfen, was mit ihrer Figur genau geschieht.
Hier ist ein Beispiel für ein Gefühl, das in der dritten Person distanziert beschrieben wird:
Sie war wütend. „Hör auf damit!“, schrie sie.
Und hier ist es in der ersten Person:
Ich war fassungslos. „Ich gehe“, verkündete ich.
Oberflächlich betrachtet scheint an keinem dieser Beispiele etwas falsch zu sein –
aber Tatsache ist, dass keines der beiden bei mir wirkliche Emotionen auslöst.
Um mit den Begriffen der Gehirnforschung zu sprechen: Emotionale Bezeichnungen wie Wut
und Traurigkeit werden vom Frontallappen erzeugt, jenem fortgeschrittenen Teil des
menschlichen Gehirns, der darüber nachdenken kann, was er denkt, und der auch darüber
nachdenkt, was er fühlt.
Um uns wirklich in die emotionale Lage der Figur zu versetzen, muss frau tiefer
graben, bis zum eigentlichen Gefühl, das gar nicht im Frontallappen entsteht, sondern in den
älteren, ursprünglicheren Teilen des Gehirns, dem limbischen System, dem Reptilienhirn, die mit unserem physischen und sozialen Überleben zu tun haben.

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Und wenn wir sie hinzu ziehen, können wir Gefühle wirklich transportieren. Und zwar, in dem wir Körpersprache und inneres Erzählen verbinden.
Zu Strategie #1 Körpersprache
Die Körpersprache ist für die meisten von uns der leichtere Weg, weil wir alle mit dem körperlichen Ausdruck von Emotionen vertraut sind. Bei Wut könnte das zum Beispiel bedeuten:
die Hände zu Fäusten ballen
die Lippen zusammenkneifen
die Serviette umklammern
spüren, wie sich Ihr Kiefer anspannt
etwas aus dem Weg zu schieben.
Diese Formulierungen helfen uns, die Emotionen der Figur körperlich zu
spüren.

Strategie #2, vor allem, wenn sie mit der ersten verbunden ist, wirkt meines Erachtens noch stärker
Es ist der: Innere Monolog.
Wenn eine Figur Tränen in den Augen hat und sich schwer fühlt, wenn ihr der Mund offen stehen bleibt, dann vermitteln sich mir Gefühle in einem allgemeinen Sinn. Doch erst die Gedanken, die mit den Emotionen in einer bestimmten Situation verbunden sind, versetzen mich wirklich in diese besondere Figur, in diese besondere Geschichte.
Hier ein Beispiel, das ich bei der Autorin Susan de Freytas ausleihe und bei dem Körpersprache und die Gedanken, die Wut ausdrücken, kombiniert sind:
„Julie spürte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, als sie die Serviette in ihrem Schoß
zusammenknüllte. Ihre beste Freundin hatte sie betrogen, und sie hatte nicht einmal den
Anstand gehabt, es zu verbergen. Wie hatte Julie sie nur so katastrophal falsch einschätzen
können? Dabei hatte Julie geglaubt, sie würden noch Freunde sein, wenn ihre Kinder
erwachsen sind, wenn sie zwei alte Schachteln sind, die früh aufstehen, um auf den
Flohmarkt zu gehen…“
Kannst du hier die spezielle Wut, die Kränkung, die Trauer der Figur nachfühlen? Mir gelingt es auf jeden Fall besser als bei den distanzierten Beispielen von oben.
Am Freitag im Geschichtentreff, kommen uns diese beiden Strategien auf jeden Fall gut zu pass. Auch wenn es da vielleicht nicht um Wut, sondern um wunderbare Sommergefühle geht. Welche werden es wohl sein?
Zum Schluss habe ich hier noch einen letzten Tipp für uns Geschichtenschreiber:innen. Er stammt von Cheryl Richardson und ihrem Card Deck, denn Geschichten-Impulskarten sind meine neue Passion:


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Ich habe sie in „Schreiben zur Selbsthilfe“ (2017, 2022) beschrieben, und sie hat vier Schritte. Und ich lade dich ein sie gemeinsam mit mir und den Teilnehmer:innen zu gehen.
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