Happiness is a way of life?!
Ich habe eine neue Freundin. Die Beziehung ist einseitig: Ich habe sie noch nie gesehen, nie gesprochen, nie berührt. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir uns verstehen.
Sie spricht zu mir auf dem Papier und sagt Dinge wie:
„Lichterketten sind die perfekte Metapher für Freude. Freude ist nicht beständig. Sie kommt in manchen Momenten zu uns – häufig in ganz gewöhnlichen. Manchmal verpassen wir das Aufflackern von Freude, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, dem Außergewöhnlichen nachzujagen. Zu anderen Zeiten haben wir so große Angst vor der Dunkelheit, dass wir es nicht wagen, das Licht zu genießen.“
Um diese Momente der Freude nicht zu verpassen, liebe ich Momentaufnahmen, diese Bildern aus Worten, die entstehen, wenn ich mich aus dem Sog des Alltags befreie. Wenn ich meine kleine Rebellion gegen das Funktionieren jeden Tag starte und mein Journal zücke. Dann zählen nur der Moment und ich.
Oh dear, als Kind habe ich oft gehört, dass ich erst den Tisch decken, die Wäsche machen oder den Garten umgraben muss, bevor ich mich um mich kümmern dürfe. Wenn ich also mein Journal zücke, und Hansi (mein Eichhörnchen vor dem Fenster) im Garten betrachte, dann hüpft mein Herz, ob ich will oder nicht. Denn ich habe es wieder geschafft, mir „vor dem Umgraben“ ein Date mit mir selbst zu gönnen.
Brené Brown, meine neue „Freundin“, von der ich Euch hier erzähle, versteht das. Sie hat darüber geforscht, was Menschen davon abhält, einfühlsam anderen und sich selbst gegenüber zu sein. Ein Grund dafür ist ihrer Meinung nach, dass wir Beschämungen glauben, die uns sagen, wir müssten anders sein.
Ihr Ausweg: Schreiben als Weg zum Leben aus vollem Herzen. Und das ist der Grund, warum ich glaube, wir verstehen uns bestens.
Dabei lebt sie in Houston Texas, mit zwei Kindern und ihrem Mann. Unterrichtet Sozialarbeit an der Uni, ist aber auch Unternehmerin, denn sie hat ein Konzept entwickelt, das Menschen auch in Firmen, von der Fließbandarbeiterin bis zur Managerin, zu einem lebendigen, authentischen Miteinander bringt. Und dies Konzept beginnt immer mit:
Ehrlichkeit. Sich selbst gegenüber.
Also mit einem Date mit sich selbst. Wie in unserem Journal. Jeden Tag aufs Neue. Indem wir etwa diesen Satz fortführen:
„Wenn ich ganz ehrlich wäre, würde ich sagen …“ oder diesen „Was mich gerade innerlich beschäftigt ist …“
Diese Dates mit uns selbst können in Geschichten münden. In Shitty First Drafts, sagt Brené Brown. Sie können uns helfen, die Beschämungen zu erkennen und zu überwinden, die wir von klein auf erleben und die fortwirken,
etwa wenn andere behaupten, dass
- unsere Aufsätze vom Thema abweichen,
- unsere Meinungen zu kindisch sind,
- unsere Kleidung zu bunt und unpassend ist,
- oder noch schlimmer, unsere Körper, unser Auftreten zu weiblich, männlich, oder einfach anders sind.
All das verhindert, dass wir die sind, die wir sind.
Schreiben hilft auf dem Weg zurück zu uns. Wir können die alten Geschichten weiter schreiben und enden lassen mit dem:
„Ja zum Ich“
Das ist der Arbeitstitel für ein Projekt, an dem ich gerade schreibe.
Und Brenés Forschungen helfen mir dabei. Darum nenne ich sie hier – etwas besitzergreifend, ich gebe es zu, eine Freundin. Ich bin ihr dankbar, weil sie mir „evidence“ liefert. Weil es mir wichtig ist, dass vertrauenswürdige Menschen oder ich selbst erforscht, erfahren oder erlebt haben, dass eine Anregung, eine Methode funktionieren.
Brené Browns Bücher fußen auf Grounded Theory-Studien, eine Methode, die den Rahmen für meine eigenen Forschungsarbeiten geboten hat. Und die ich liebe, weil sie Menschen und ihre Erfahrungen hört und ernst nimmt. Eine Grounded Theorie muss alle Stimmen und Interviews mit einbeziehen und erklären können, sonst taugt sie nicht.
Und so sind die Ergebnisse dieser Forschung in meinen Augen zutiefst menschlich, redlich und fundiert.
Und jetzt hänge ich eine Lichterkette auf, die mich an die Momente von Happiness erinnern kann und schaue mal, ob ich Hansi im Garten entdecke …
Schreibanregung:
Welche Freuden-Momente hast Du heute schon erlebt?
PS: Mehr über Brené Brown und ihre Forschungen erfahrt ihr hier www.brenebrown.com Lasst Euch von der lauten amerikanischen Aufmachung nicht abschrecken. Auf das Herz und die Fundierung kommt es an…
Liebe Birgit, das ist so schön geschrieben und erzählt. Es ist eine wärmende Freude, dass zu lesen. Herzlich, Katrin
Danke, liebe Karin, es ist so schön, wenn ein Text „ankommt“; in diesem Fall besonders, denn die neue „Freundschaft“, über die ich schreibe, liegt mir am Herzen. Und so leuchtet meine Lichterkette besonders hell – ich habe sie vorhin schon angestellt …
Wünsche Dir viele Sonnen- und Sternstunden in diesen Wintertagen!