„Die Kraft aus der Krise“

… so lautet der Titel eines Artikels von Ulrich Schnabel, der in dieser Woche in DIE ZEIT erschienen ist. Es geht darin um Resilienz – also um psychische Widerstandskräfte, die Menschen gegen Krisen wappnen oder aber ihnen helfen, sie gut zu bewältigen.

Resilienz ist ebenso ein Trendthema wie das der gesundheitsfördernden Gemeinschaften, von denen ich im letzten Beitrag schrieb. Tatsächlich ist Leben in der Gemeinschaft einer der wichtigsten Faktoren für Resilienz, das sagt nicht nur die Wissenschaft, sondern auch der gesunde Menschenverstand: Wer etwa nur für die Karriere lebt und keine Zeit oder Energie hat, ein soziales Netz zu pflegen, wird von einem Jobverlust schneller aus der Bahn geworfen als ein Familienmensch oder ein Mensch mit großem Freundeskreis.

Doch nicht immer ist eine große Gruppe nötig, um Krisen zu meistern. Das hat die Entwicklungspsychologin Emmy Werner in den 50ern zeigen können. Sie untersuchte Kinder der Insel Kauai, die unter dem Alkoholismus der Eltern, unter Armut, Vernachlässigung oder Misshandlung zu leiden hatten, und stellte fest: Wer in dem ganzen Elend auch nur eine einzige Vertrauensperson an seiner Seite hatte, überlebte die Kindheit beinahe unbeschadet. Die anderen – die Mehrheit – wurden meist selbst zu Alkoholikern oder Schlägern.

Menschen seien eben Resonanzwesen, sagt der Soziologe Hartmut Rosa, der in dem aktuellen ZEIT-Artikel über Resilienz zu Wort kommt. Kaum etwas sei für uns so wichtig, wie das Gefühl, mit anderen verbunden zu sein, als Mensch gesehen und anerkannt zu werden.

Aber was tun, wenn gute Resonanz fehlt? Wenn Menschen fehlen, die wohlwollend spiegeln? Auch für diesen Fall gibt es Hoffnung. Denn, so heißt es in dem Artikel, Menschen können etwa auch in Kunst oder Musik Resonanz finden. Oder aber in der Literatur, im eigenen Schreiben, wage ich zu behaupten.

Die eigene poetische Kompetenz zu entwickeln bedeutet, in sich selbst einen Resonanzraum zu kreieren. Dort können wir Eindrücke verarbeiten und unsere Resonanz ausdrücken.  Wir kommen innerlich wieder in Bewegung und stärken unsere seelischen Widerstandskräfte.

Literarische Formen bieten sicheren Halt für Unsagbares, Schmerzhaftes, für Tabus und Unverarbeitetes; expressives Schreiben kann helfen, die Folgen von Traumata zu überwinden;  Memoir-Schreiben lässt uns unseren roten Lebensfaden  finden und festigt unsere Identität; fiktionales Schreiben lässt uns Träume, Visionen und Seiten an uns selbst ausloten, die wir in der Realität – bislang – nicht leben konnten oder wollen .

Resonanz, ganz nebenbei bemerkt, ist einer der Kernbegriffe der Poesietherapie. Wenn in poesietherapeutischen Gruppen geschrieben und vorgelesen wird, geben die anderen Teilnehmer keine Kritik oder Bewertung ab, sondern fassen ihre Resonanz in Worte. Sie schildern den Widerhall, den ein Text hervorruft. Das kann enorm stärkend sein für die Autoren, die so erfahren, welche Wirkungen in ihren Worten stecken.

Genug erzählt für heute … Ich wünsche Euch an diesem Sonntag und darüber hinaus viel Resonanz – beim Schreiben allein, beim Schreiben in einer Gruppe oder mit Euren liebsten Resonanzwesen in Familie und im Freundeskreis.
Eure Birgit

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