Interview mit Bestsellerautorin Christiane Wirtz

„Jeder, der gut genug in sich hineinhört,
hat eine Botschaft zu vermitteln.“

Christiane Wirtz, Bestsellerautorin

 

Spiegel-Bestsellerautorin Christiane Wirtz ermutigt in ihrem Buch „Neben der Spur“ Memoir-SchreiberInnen, an sich zu glauben. Im persönlichen Gespräch erzählt sie, was sie zum Schreiben motiviert hat und wie sie Kritik aller Art verkraftet.

Birgit: Christiane, Du hast in Deinem Buch etwas getan, das sich nicht viele Leute trauen: Du hast offen über Deine Krankheit, Schizophrenie, gesprochen und darüber, wie sie sich zur persönlichen Katastrophe ausgewachsen hat. Damit meine ich den Verlust von Job, Wohnung und Freunden. Dazu gehört viel Mut und der Wille, etwas zu verändern. Was hat Dich motiviert, Dein Leben öffentlich zu machen?

 

Christiane Wirtz: Ich habe und hatte die Vorstellung, dass ich in meinem Leben etwas für andere machen will, etwas leisten, etwas beitragen will. Und irgendwie war und ist es meine Vorstellung, dass ich vielleicht etwas besser als andere den Job übernehmen kann, eine solche Situation gut zu schildern, damit endlich einmal ein paar Vorurteile und die schlimmen Stigmatisierungen abgebaut werden.

Ich wollte etwas Sinnvolles tun und nicht nur still in meinem Kämmerlein vor mich hin leiden, ohne wenigstens den Versuch zu starten, an der Situation etwas zu ändern. Alle größeren Bewegungen, etwas in Gang zu bringen, haben klein angefangen. Und es gibt ja vielleicht noch andere, die sich anschliessen.

Bislang bin ich eigentlich sehr positiv überrascht von den Reaktionen. Viele sind wirklich interessiert und scheinen anzufangen, nachzudenken. Das freut mich sehr und bestärkt mich.

Birgit: Viele Menschen haben Schwierigkeiten mit anderen unbefangen umzugehen, die eine Schizophrenie leiden. Welche Reaktionen hast Du erlebt?
Hast Du es je bereut, dass Du so mutig warst?

Christiane Wirtz: Nein, habe ich nicht bereut. Es gibt natürlich Tage, die schwieriger sind als andere, und es ist keine ganz leichte Sache, so etwas zu schultern. Aber bereut habe ich es auf gar keinen Fall.

Birgit: Was war beim Schreiben Deiner Geschichte das größte Hindernis?

Christiane Wirtz: Das größte Hindernis war, dass ich total ehrlich sein musste und sehr viel Privates preisgegeben habe. Es geht aber nicht, über die Krankheit zu schreiben, über Psychosen zu schreiben und dann nicht zu sagen, ah, da ist eine Wunde von mir, da ein Schwachpunkt. Sonst lässt sich das nicht wirklich schlüssig erklären. Das macht einen natürlich im Prinzip sehr angreifbar. Klar, mit einer guten und reifen Persönlichkeit kann man da drüber stehen – also über möglichen Angriffen oder seltsamen Kommentaren – aber in manchen Bereichen und an manchen Tagen bin ich auch schwächer.

Birgit: Was war beim Schreiben oder bei der Recherche Dein schönstes Erlebnis?

Christiane Wirtz: Dass doch relativ viele mitgemacht haben. Zwar hatten alle Angst, die hatten sogar als Nicht-Kranke, also als eigentlich Unbeteiligte Angst, in irgendeinem Zusammenhang mit dem Label „Schizophrenie“ aufzutauchen. Fast alle wollten nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden. Aber vielleicht würden sie sich jetzt sogar anders entscheiden. Da musste ich das halt in gewisser Hinsicht alleine schultern.

Birgit: Du hast auch Ärzte und Menschen aus Deinem Umfeld befragt, die Dich in der akuten Krankheitsphase erlebt haben. Gab es dabei für Dich Überraschungen?

Christiane Wirtz: Nee, eigentlich nicht. Die Ärzte, mein Hausarzt und mein – wie soll ich sagen, Therapeut und Mentor – Gunther Schmidt, deren Reaktionen hatte ich ja schon vorher erfahren. Vielleicht war ich überrascht, wie, obwohl das Menschen waren, die mir zugewandt waren, wie stark sie von dem, was passiert war, noch beeindruckt waren.

Birgit: Du hast durch Presse- und Radioberichte und einen Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz viel Resonanz auf Dein Buch erlebt. Es ist auf der Spiegel-Bestsellerliste angekommen! Nach Deinem Absturz ist dies ein märchenhafter Erfolg. Was hat sich alles in Deinem Leben seit Erscheinen des Buches geändert?

Christiane Wirtz: Noch ist ja vieles in meinem Leben im Umbruch. Ich bin ja gerade dabei, mich selbständig zu machen und trotz positiver Resonanz ist das mit fast 52 Jahren und diesem Label, nun öffentlich, dann nicht ganz einfach. Ich versuche, auf dem Teppich zu bleiben und gleichzeitig hoffnungsfroh Visionen von einer guten und lebenswerten Zukunft zu entwickeln. Und wiederum gleichzeitig im Moment zu bleiben, denn auch Übergangssituationen, so chaotisch oder unperfekt sie sein mögen, sind Lebenszeit, die man so gut wie möglich ausgestalten sollte.

Birgit: Nach Deinen Erfahrungen mit Öffentlichkeit und Medien: Was würdest anderen Memoir-Schreiberinnen raten, die über ein sensibles Thema schreiben?

Christiane Wirtz: Ich glaube, es ist wichtig, an sich selbst zu glauben und den Mut zu entwickeln, von sich in dem Sinne überzeugt zu sein, dass man eine ganz bestimmte, ich sage es jetzt mal hochtrabend, „Botschaft“, unter die Leute bringen will. Und jeder hat eine, wenn er gut genug in sich hineinhört. Das kann einen dann zu allem Möglichen motivieren und antreiben, auch zu außergewöhnlichen Anstrengungen und das gibt einem dann eine breitere Schulter, wenn mal nicht so eine positive Reaktion kommt oder eine Durststrecke zu überwinden ist.

 

Christiane Wirtz: „Neben der Spur“

Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet.
Dietz-Verlag 2018

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