Perspektiven, die froh machen

Morgens, halb zehn in Deutschland. Meine Zähne sind professionell gereinigt und glänzend, Bäume strahlen gelb, Sonne leuchtet da oben vor blauem Himmel und ich bin hier unten, etwas hungrig, weil ohne Frühstück bislang, aber happy.

Wenn ich sage, ich bin hier unten, dann meine ich hier, an meinem eben entdeckten Schreibplatz, mitten in der Bremer Innenstadt, an dem Ort, an dem ich jetzt diesen Blogartikel tippe.

Schreiben kann ich immer und überall, doch ich würde lügen, wenn ich sagte, das Ambiente spiele keine Rolle. Für mich verändert sich mit dem Außen auch das Innen: Im gemütlichen Sessel am Fenster werde ich langsam und tauche tiefer. Ich nehme intensiver wahr und Gedichte gelingen mir hier oft mühelos.


In der Straßenbahn neulich in Wien musste ich dagegen schnell meine Gedanken zu Papier bringen. Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten und die Bahn ruckelte, so dass die Buchstaben zickzack fuhren.

Außerdem lenkte mich an jeder Haltestelle der Blick aus dem Fenster auf die prächtigen Gebäude am Ring ab. Trotzdem war bei Ankunft an der Oper eine Momentaufnahme entstanden, sinnlich und ganz unmittelbar inspiriert durch die Eindrücke.

Schreiben unterwegs ist nichts für jede.

G. schreibt zum Beispiel am allerliebsten in aller Stille am Schreibtisch ihrer Kindheit, sie hört ihre innere Stimme am besten in Ruhe und Geborgenheit.
J. schreibt gern umhüllt von Kunst in Museen und Galerien, auf harten Holzbänken, vornübergebeugt. Das stört sie nicht, so lange sie sich inspiriert und in guter Gesellschaft fühlt. Sie sieht das Leben als Kunstwerk, so wie schon Hilarion Petzold, der Begründer der Poesietherapie in Deutschland.

Charly Chaplin hatte für seine kreativen Momente, in denen er sicherlich auch schrieb, einen Sessel, in dem Ideen aufblitzen durften wie Sterne am Firmament. Einen anderen Platz hatte er dafür, die Sterne und Ideen auf die Erde zu holen und in der Realität umzusetzen.

Mein Sohn schließlich, der tippt seine Aufsätze am liebsten mit Chillout-Musik bäuchlings auf dem Sofa ins Tablet. Und was mich angeht, wie gesagt, ich liebe es, den Standort zu wechseln.

Ich liebe Abwechslung, das Neue und Ungewohnte. Besonders erfreuen mich ungewöhnliche Schreibräume – sie sind wie geschaffen für mein inneres „Neugier-Tier“. Diesen Persönlichkeitsanteil, die Neugier, war schon in dem kleinen Mädchen aktiv, das auf dem nassen Herbstrasen kauerte, inmitten von Blättern und Eicheln und herabgefallenen Ästen, um die Ameisen beim Krabbeln und Schnecken beim Kriechen zu beobachten. Wenn ich mich damals rücklings auf den Rasen legte, ergaben sich ganz neue Blicke auf Nester und Vögelbäuche. Dieses Neugier-Tier in mir war verantwortlich für meine erste Berufswahl: Journalistin und für die zweite: Biografieforscherin.

Foto von Bild von Willfried Wende auf Pixabay

Noch heute gewinnen meine Tage, wenn das innere Neugier-Tier am Start ist. Das amüsiert sich gerade übrigens köstlich, weil es ausprobieren darf, wie es sich in einem Kleiderladen schreibt.

Doch, das stimmt, ich schreibe diesen Blogartikel in einem Kleidergeschäft, zu dem ein Café gehört, mit italienischen Köstlichkeiten in einer Glasvitrine, mit imposanter Siebdruckmaschine und echten italienischen Brioches zum Frühstück.

Drüben plaudern kaffeesierende Frauen miteinander in einer Sitzecke, neben ihnen eine Reihe bunter Einkaufstüten. Hier, auf meiner Bank habe ich den Überblick über Bar und Laden und ich weiß eine praktische Steckdosenleiste hinter mir. Dort lade ich gerade mein Handy, während ich mal nach rechts auf Pecorino und Co oder links auf Cashmere-Pullis und Co blicke und mich daran erfreue.

Ein Blick aufs Handy zeigt: Es ist 11:04, die obligatorische Stunde nach der Zahnreinigung ist um! Jetzt werde ich gleich mein italienisches Frühstück genießen! Meinem ungewöhnlichen Schreibplatz sei dank, ist in der Zwischenzeit ein Blogartikel entstanden.

Dieser Tag darf jetzt genauso wunderbar und inspirierend weitergehen! Doch bevor ich jetzt mein Brötchen schmiere und den Blick auf die roten und rosa Pullis genieße, habe ich noch eine Frage für dich:

  • Wo schreibst du am liebsten?
  • Und welche ungewöhnlich belebenden Schreiborte sind dir zuletzt untergekommen?
  • Stell gern ein Foto in den Kommentar oder schreib darüber:
    Ich bin immer empfänglich für neue Perspektiven.

Hast du Lust gemeinsam zu schreiben?

ONLINE – Neujahrs-Schreibcamp 24 - 25

12 Schreibeinladungen & 2 Zoom-Treffen vom 20.12.24 - 6.1.25

Was für ein Jahr! Höchste Zeit, zurück zu blicken, das Schöne zu würdigen und auch das Schwierige. Lass uns ein denkwürdiges Jahr verabschieden und ein neues mit Hoffnung und klarem Fokus willkommen heißen.

Die Live-Workshops haben bereits mehr als zehn Jahre Tradition: Jedes Jahr aufs Neue haben Teilnehmer:innen und ich erlebt, wie wunderbar die „Wünsche in Worte-Methode“ wirkt.

Ich habe sie in „Schreiben zur Selbsthilfe“ (2017, 2022) beschrieben, und sie hat vier Schritte. Und ich lade dich ein sie gemeinsam mit mir und den Teilnehmer:innen zu gehen.

Auf in ein wundervolles neues Jahr!

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