Und täglich grüßt …

… das Murmeltier. Ein bisschen wie Bill Murray in dem gleichnamigen Film von 1993 fühle ich mich schon, wenn ich morgens noch im Halbschlaf zu meinem Schreibsessel wanke, krank oder gesund, wach oder müde, gut oder schlecht gelaunt. Und dann für eine halbe Stunde schreibe.

Täglich aufs Neue. Damit es nicht langweilig wird – und das wird es, wenn ich mir nicht immer etwas Neues ausdenke – wechsle ich die Schreibaufgaben. Denn ich gehöre zu den kreativen Chaoten, eine Bezeichnung die Coach Cordula Nussbaum geprägt hat für Menschen, die einen besonderen Spieltrieb in sich tragen, für Menschen, die immer mal neue Anregungen, Methoden, lustige Stifte, spannende Schreibhefte, fantastische Apps oder dergleichen brauchen, um Spaß zu haben.

Oder eben neue Herausforderungen. Heute schreibe ich diesen Blog, morgen vielleicht meine propriozeptiven Seiten für die innere Einkehr. Übermorgen will ich den goldenen Herbst vielleicht in ein paar Haikus, Zevenaars oder Elfchen füllen, dabei fällt mir ein – eine Anleitung ist dringend notwendig, damit Ihr Euch auch jederzeit für poetische Anfälle gewappnet fühlt. Ich stelle Sie in ein paar Tagen auf meine Homepage, versprochen.

Tägliches Schreiben mehrt die poetische Kompetenz, eine Kompetenz, so wichtig wie kulturelle, politische, soziale, finanzielle Kompetenzen zusammen. Denn sie macht es leichter, Herausforderungen des alltäglichen Lebens – von Unpässlichkeiten bis hin zu Krisen zu meistern.

Gestern las ich von Ulla Hahn, der Lyrikerin, die einen gewalttätigen Vater hatte und als Jugendliche eine Vergewaltigung überlebte – und wundervolle Gedichte schreibt. Und auch Memoirs. In „Das verborgene Wort“ von 2001 hat sie nach eigenem Bekunden ihre Vergangenheit bearbeitet und konnte schließlich ihrem Vater vergeben. Dabei halfen ihr ihre poetische Kompetenz – zu der etwa Wahrnehmungsgabe, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel, Gestaltungsdrang und Phantasie gehören.

All das war in ihr schon früh vorhanden. Weil ihr als kleinem Kind die Resonanzwesen fehlten (siehe vorletzter Blogeintrag), erfand Ulla Hahn beispielsweise Frau Peps. Frau Peps erzählte sie alles, was ihr zustieß, was sie erlebte, ängstigte, freute. Frau Peps war ihr Resonanzraum, ihre imaginierte Vertraute, ihre Rettung.

Oder anders gesagt: Frau Peps war Ulla Hahns kindliche Version der Morgenseiten. Und weil Ulla Hahn damals noch nicht schreiben konnte, war Frau Peps eben kein Schreibheft, sondern eine alte ausrangierte Handtasche ihrer Großmutter, der sie all ihren Kummer anvertrauen konnte.

Ich würde mich freuen, von Euch bei Gelegenheit einmal zu hören, welche Rituale und Resonanzräume ihr in Eurem Leben gefunden habt oder findet. Mit anderen Worten: Welche Murmeltiere grüßt ihr immer wieder gern?

Eine schöne Woche wünscht Euch

Birgit

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