Die Tage vor der Deadline sind die schlimmsten, meine Familie bekommt mich nur noch selten zu sehen, zum Abendessen erscheine ich zu spät, die gute Nacht-Geschichte für meinen Sohn lese ich, ohne auch nur eine Zeile davon zu verstehen. Ich fühle mich dennoch nicht einsam: Ich bin in Begleitung meiner Gedanken, die hoffentlich zu einem guten Artikel-Ende führen.
Ich fürchte und ich liebe diesen Zustand. Die Tauchfahrt in ein Thema. Den Alltag oben an der Wasseroberfläche nehme ich verschwommen war. Ich tauche nur auf, um Luft zu holen, um dann gleich wieder zu verschwinden.
Bevor ich in diese Phase eintrete, kämpfe ich regelmäßig dagegen an. Denn es schmerzt, das Land der Routinen zu verlassen, den Taucheranzug überzustreifen: der Sand reibt auf der Haut, sie rötet sich, sie schmerzt. Es ist wie bei der Seejungfrau, die sich Beine wünscht, damit sie zu ihrem Prinzen an Land gehen kann – nur eben umgekehrt. Ich brauche Flossen und Kiemen, um ins Themen-Meer zu springen und fürchte mich vor der Reise.
„Das Raumschiff Enterprise ist Lichtjahre von der Erde entfernt, unterwegs, neue Welten zu entdecken, neue Lebensformen, neue Zivilisation“, lautete der Vorspann zu meiner früheren Lieblingsserie Star Trek. Ja, ein bisschen ist das so, wenn ich für den Artikel in meine Recherchen eingestiegen bin und auf Tauchgang gehe.
Diesmal beschäftigt mich die Frage, wie die Psychologie helfen kann, Kriege zu verhindern. „Since wars begin in the minds of men, it is in the minds of men that the defenses of peace must be constructed“, heißt es in der Präambel der UNESCO und sie zwingt mich zur Selbstprüfung: Welche „defenses of peace“ sind in meinem Kopf angelegt?
Um Kriege zu verhindern, müssen Menschen an den Frieden glauben. Daran, dass Gewalt vermeidbar ist, dass es bessere Wege als Eskalation gibt, um Grundbedürfnisse wie den Sicherheit, Identität, existenzielles Auskommen zu erfüllen.
Das ist nicht selbstverständlich. Die meisten von uns glauben, Krieg und Gewalt gehörten zur Zivilisation dazu, wie Eis und Schnee zum Winter. Und manche Kriege sind vielleicht sogar nötig, etwa, um einen Genozid zu verhindern.
Die Winter sind nicht mehr wie früher. Klimawandel auch in den Köpfen, ist das möglich? Und was können Psychologen, die Experten für die „minds of men“, dazu tun?
Diese Fragen beschäftigen mich und die spannenden Antworten, die Menschen in Ruanda, in Süd-Afrika, in Afghanistan und – ja auch in Amsterdam nach der Ermordung des Journalisten Theo van Gogh – gefunden haben. Wenn ich auftauche aus diesen Gedanken, ist die Wäsche zu waschen und der Frühstückstisch zu decken. So wie jetzt zum Beispiel, ich muss meine Tauchfahrt unterbrechen, für ein Weilchen …
Euch allen ein friedvolles Wochenende …
Liebe Birgit,
leider bin ich ein Computermuffel und lese E-Mails oft verspätet,
Deine E-Mails dann aber immer mal wieder, weil sie sich in Schichten meinem Herz und Verstand öffnen und ich mich ihnen langsam nähern möchte
.
Damit von der Zartheit der Formulierungen trotz der Schwere der Worte nichts zerbricht oder von mir überrannt wird, lese ich oft nur einen Abschnitt und lasse ihn in mir arbeiten.
Vielen Dank
Iris