Die inneren Feinde sind undercover

Nur noch schnell in die Mails schauen! Kennst du den Gedanken? Folge ihm nicht! Jedenfalls nicht, wenn du einen Roman schreiben willst.

Ich bin heute morgen in die Falle getappt, war brav und mein bestes professionelles Selbst, das prompt innerhalb von 48 Stunden antwortet, einfach vorbildlich. Doch mein nächstes Kapitel, auf das ich hinfiebere, habe ich noch nicht mal begonnen. Du weißt schon, das Spannende über den Antagonisten, der die schier unüberwindliche Hürde errichtet, die die Hauptfigur nehmen muss. Jenes Kapitel, in dem es um alles geht.

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Du könntest jetzt mutmaßen: Kein Wunder, dass sie das nicht schreibt. Wer will schon über Widersacher nachdenken. Doch da liegst du – ausnahmsweise – falsch. Ich liebe es, meine Feinde, ins Visier zu nehmen. Beim Schreiben. Nicht in echt. Wenn ich sie im Text in ihrer ganzen Pracht und Macht beschreibe und sehe, was sie gegen meine Protagonisten auftürmen, komme ich richtig auf Touren.

Es darf der Heldin in meinem Buch so richtig schlecht gehen, ich packe alles in sie hinein, was ich an Schmerz und Schwächen in mir habe. Und immer passiert dann folgendes. In der Geschichte steht sie auf, wie ein Phönix aus der Asche, findet ihre eigene Stärke, kann ihre Schwachstellen endlich akzeptieren und überwinden und damit auch das innere Hindernis.

Denn die größten Feinde sind auch im Buch meist die inneren. Die Anteile einer Person, die sie schwächen. Innere Kritikerinnen, Mutlose Gesellen, Ängstliche Hasen, die Scham, all das, was sie von sich glaubt. Fälschlicherweise. Oder berechtigterweise. Dies sind die Feinde, die sie entlarven muss, um deren Macht zu entschärfen.

Manchmal gibt es für die inneren Feinde äußere Entsprechungen: Menschen, die jemandem den Spiegel vorhalten, die ihr Angst machen, weil sie die Angst bereits kennt, die Wut, die Ohnmacht, die Enttäuschung oder oder. Personifiziert bieten sie alle ein prima Ziel.

Und das macht so richtig Spaß. Hier kannst du endlich wehrhaft werden. Zum Schwert greifen, zum Angriff übergehen oder schlau tricksen. Denn es ist ’nur‘ ein Text. Hier darf alles passieren, was in der echten Welt, vielleicht – noch – nicht möglich ist. Und so liebe ich die Antagonisten und Antagonistinnen wirklich. Sie helfen beim Wachsen. Und beim Schreiben.

Jetzt verrate ich dir noch ein Geheimnis: Manchmal sind die inneren Feinde undercover. Sie tarnen sich als deine Freundinnen, als gute Ratgeber. Und: Als vorbildliche professionelle Mail-Beantworterinnen.

Dieser Impuls, es recht zu machen, Erwartungen und Pflichten zu erfüllen, kann eine riesige Hürde auf dem Weg zum eigenen Blog, zur Kurzgeschichte und erst recht zum Roman oder Memoir sein.

Es ist dieser perfide innere Anteil, der mich – noch – davon abhält, nach Herzenslust dem Herzensprojekt zu frönen. Gerade wenn dann noch ein bisschen Sorge dazu kommt, ob die Heldin die Hürde wirklich nehmen kann, wird das Date mit der eigenen inneren Schreiberin abgesagt.

Damit muss Schluss sein. Und darum endet jetzt dieser Blog mit der Feststellung, dass Schreiben etwas Unsoziales hat und haben muss. Um überhaupt zu schreiben. Um die eigene Schreiblust an die erste Stelle setzen zu können. Denn es lohnt sich so sehr. Und darüber schreibe ich ein anderes Mal. Jetzt geht es erstmal dem Antagonisten an den Kragen …

PS: Deine Mail beantworte ich später …

Bilder: Bild von Tumisu auf Pixabay

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