Ein Leben zwischen den Kulturen – Interview mit Béatrice Hecht-El Minshawi

 

Béatrice Hecht-El Minshawi hat an ihrem neuen Buch „Luftsprünge und Lebenswurzeln – Meine interkulturellen Wege“ fünf Jahre geschrieben. Jetzt erscheint es im Verlag Ulrike Helmer. „Es ist mein Schwierigstes gewesen, weil es eben meine Geschichte ist“, schrieb sie mir in einer Mail. Auch im Kurs „Zeit für die eigene Geschichte“ auf Wangerooge entstanden Passagen des Buches. Und in einer Lesung durften die Kursteilnehmerinnen erste Leseproben hören (siehe Foto).

Birgit: Béatrice, Dein Buch zeigt es: Dein Leben ist eine lange, spannende Wanderung zwischen den Kulturen. Du hast als Krankenschwester in Vietnam und in Afghanistan gearbeitet.
Später warst Du in Kambodscha und Thailand, Indien, Arabien und Ägypten – und mit internationalen Projekten auch in den USA und Kanada, in Australien und Neuseeland. Gibt es einen Ort, den Du noch nicht besucht hast und an den es Dich treibt?

Béatrice:
Es treibt mich nach Afrika. Ich war vor fast vierzig Jahren im Maghreb unterwegs und bin durch die Sahara bis in den Niger gereist, und viel später auch in Südafrika. Familiär habe ich mit Namibia zu tun. Während meines Studium habe ich lange dazu gearbeitet und jetzt wird es Zeit, dieses Land zu besuchen. Im Oktober werde ich fliegen.

Birgit: Es gibt sicher viele prägende Erlebnisse in Deinem Leben. Schilderst Du in Deinem Buch eines, das Dir besonders viel bedeutet und das Du nicht missen möchtest?

Béatrice: Dass ich, als ich in den 60er Jahren in Vietnam gearbeitet habe, mit Dioxingiften, die als Entlaubungsmittel gesprüht wurden, kontaminiert wurde, war das prägendste Erlebnis für mein Leben. Missen möchte ich die Vietnam-Erfahrungen nicht: Sie haben mich politisiert und für mein Frauenleben wach gemacht!

Birgit: Du hast eine ganze Reihe von Fachbüchern geschrieben, was war die Herausforderung bei diesem sehr persönlichen Buch? Und hast Du davon profitieren können?

Béatrice: Nun die Auseinandersetzung mit meiner Familie, mit den Stärken, die ich entwickelt habe in dem frühen Leben voller Nöte und Kummer. Die Ethik meiner Mutter hat uns gerettet.

Birgit: Kaum hast Du Dein Memoir abgeschlossen, schon planst Du Dein nächstes Buchprojekt. Um was geht es?

Béatrice: Ich habe meistens etwas zu forschen, zu schreiben oder an Manuskripten zu arbeiten. Schreiben bedeutet für mich, lebendig zu sein.
Jetzt suche ich gerade einen neuen Verlag für mein zwölf Jahre altes Buch „Muslime in Beruf und Alltag verstehen“ (Beltz-Verlag). Es ist hochaktuell, denn es leben zig verschiedene Muslime hier und viele von uns können diverse Verhaltensweisen nicht verstehen. Mit dem Buch möchte ich Menschen erreichen, die mehr über das traditionelle oder moderne Leben der Muslime in den islamischen Ländern wissen möchten.

Birgit: Daneben hast Du auch noch eine Idee für ein weiteres biografisches Buch …

Béatrice: Ja, mich interessiert das Thema „Wenn das Leben auf dem Kopf steht“. Das könnte im Kern ein autobiografisches Buch werden, angereichert mit Berichten von Flüchtlingen, deren Leben ebenfalls auf dem Kopf steht. Das Thema kann sich aber noch ganz anders entwickeln und würde dann vielleicht auch anders heißen. Wer weiß…

Birgit: An einer Stelle des Manuskripts vergleichst Du das Schreiben mit dem Reisen …

Béatrice: Beide haben ähnliche Wurzeln. Auch im Schreiben liegt die Sehnsucht etwas Neues zu entdecken: neue Lebensfragen und Antworten zu finden, andere Motive, Perspektiven zu erkennen und vielleicht einen neuen Lebensstil.

Birgit: Das entspricht ziemlich genau meiner Vorstellung vom heilsamen Schreiben.

Béatrice: Im Manuskript habe ich das so formuliert: Schreibend kann wohltuend und therapeutisch sein … . Ich bin dabei auf mich selbst fokussiert und beschreibe das, was ich beobachte, was ich in mir trage und was es mit mir gemacht hat. Ich verbinde alle Aspekte meines Ichs. Ich erinnere mich, dass früher das Malen oder Zeichnen, später auch das Singen und Schreiben, und das Reisen jedenfalls, tröstlich waren und als Kind zu meiner fantasievollen Rettung aus dem Leben in Armut beitrugen: Produktives Verschwinden aus dem Alltag. Kleine Fluchten.

Birgit: Mir fällt da das schöne Konzept der „poetischen Kompetenz“ ein. Damit meine ich die Fähigkeit, eine kreative Dimension zum Leben hinzuzufügen. Das bedeutet einen neuen Blick auf die Welt, mehr Freude, erweiterte Ausdrucksformen. Damit lassen sich auch Herausforderungen meistern. Das ist dann Lebenskunst.

Béatrice: Damit kann ich etwas anfangen: Schreiben und Reisen, Malen und Singen sind Ausdrucksmöglichkeiten, kreative und poetische Akte, die alle Sinne berühren. Das war und ist tröstlich, denn es geschieht im Dialog mit dem Leben.

Birgit: Ich bin sehr gespannt darauf, mehr dazu in Deinen neuen Büchern zu lesen. Keep us posted! Und viel Glück und Erfolg!

Wer Béatrice Hecht-El Minshawi lesen hören möchte, hat demnächst zweimal die Gelegenheit dazu: In der Lese-Musik-Präsentation am 21. Mai liest sie ab 15 Uhr im Rahmen der Offenen Ateliers im KunstRaum, Rückertstraße 21. Auftreten wird dort auch ein japanischer Musiker, der den Soundtrack zum Film Kirschblüten Hanami geschrieben hat.

Oder Ihr kommt zur Bremer BuchPremiere am 28. August um 11:30 Uhr in die Matinée in der Villa Sponte, Osterdeich 59b. Béatrice: „Dort werden fünf Musiker mit einer Sängerin auftreten und wir werden Euch zum Motto ‚… Das Leben, so viel …‘ unterhalten.

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