Neulich hat eine Freundin mich zu einem Film eingeladen. Als ich Nein sagte, war sie enttäuscht und ich fühlte mich für ein Weilchen ganz elend. Früher hätte ich mich nach dieser Reaktion vielleicht zum Kinoabend gezwungen, doch diesmal war mir ganz klar: Ich sage Ja zu etwas anderem: zur dringend notwendigen Entspannung daheim und auf dem Sofa. Und das war gut so: Wir haben zuhause einfach einen Serienmarathon eingelegt und es genossen.
Warum fällt mir eine solche Entscheidung für mich selbst oft so schwer?
Im Buch „A positive No“ des Harvard Anthropologen William Ury fand ich Antworten: Er glaubt, dass viele Menschen in einem Konflikt einlenken, ihre Position schwächen oder Entscheidungen revidieren, weil sie die Beziehung zum Gegenüber nicht gefährden wollen. Leider erreichen sie langfristig genau das Gegenteil.
Weil ihr eigenes Bedürfnis unerfüllt, ihre Überzeugungen negiert, eigene Ziele hintenanstehen, werden sie unzufrieden, hegen Groll. Oft gibt es irgendwann einen Eklat oder die Beziehung kühlt ab, weil sie sich darin nicht mehr authentisch fühlen. Dank Ury habe ich in den vergangenen Wochen geübt, zu mir und zu meinen Positionen zu stehen, auch wenn mein Gegenüber meine Absage, mein Nein, vielleicht zunächst nicht gut aufnimmt, traurig ist oder gar austeilt.
Der Trick, wie ich mir treu bleibe: Ich frage mich, wozu ich mit meinem Nein Ja sage: Was sind die Werte, das Bedürfnis, die Verpflichtung, das Ziel, das Ergebnis, dem ich nachkomme oder das ich schütze? Wem oder was sage ich Ja, wohin gehört meine Loyalität, meine Verantwortung? So mache ich zur Zeit spannende Erfahrungen: Wenn ich mir über die Wurzeln meiner Entscheidung klar werde, fühle ich mich stark wie ein Baum, der im Boden fest verwurzelt ist.
So beschreibt es auch der Anthropologe Ury. Die Wurzeln sind das Ja zu Werten und Bedürnissen, der Stamm steht für das feste Nein, und die Baumkrone, die sich in den Himmel reckt, ist ein Ja zur Beziehung. Denn die schütze ich, wenn ich zu mir stehe und das auch zeige. Urys Prinzipien des Neinsagens taugen nicht nur für mein kleines Leben, sondern er hat sie in Friedensverhandlungen, bei Mediationen in großen Konzernen, bei Konflikten zwischen Gruppen weltweit getestet und entwickelt.
Warum ich auf Ury gekommen bin? Das verdanke ich einer lieben Freundin, die mich dazu eingeladen hat, einen Workshop zum Nein-Sagen zu konzipieren. Dank ihr habe ich viel experimentiert, gelesen und erfahren. Und wenn der Workshop steht, erfahrt ihr natürlich davon.
We will keep you posted …
Buchtipp: Ury, William (2008): „The Power of a Positive No“. How to say No & still get to Yes. Hodder, London