… so lautete der Titel eines Vortrags, den ich vor einiger Zeit hielt, um Menschen zum Schreiben zu motivieren. Dazu, ihre Erfahrungen aufzuschreiben, für sich selbst, für Kinder, Enkel, vielleicht sogar für die Öffentlichkeit.
Im Augenblick darf ich mich mit dem Schreiben als heilsame Methode für ein eigenes Buch beschäftigen und bin dabei auf „Your life is a book. How to draft and publish your memoir“ von Brenda Peterson und Sarah Jane Freymann (Sasquatch Books 2014) gestoßen. Brenda ist eine Schreiblehrerin und Autorin von bislang 18 Büchern, Sarah Jane ist eine Literaturagentin im toughen New York.
Peterson und Freymann haben viele Autoren und Autorinnen auf dem Weg zum Buch begleitet. Besonders beeindruckt hat mich ihre Erkenntnis: „Writing is a hearing skill“. Sie meinen damit, dass wir uns selbst zuhören müssen, um über uns selbst zu schreiben.
Wir müssen einen Dialog beginnen – mit unserem jüngeren Selbst, aber auch – in den Morgenseiten – mit unserem aktuellen Selbst. „Was hast Du mir zu sagen?“, fragen wir. „Was meinst Du genau damit?“, fragen wir weiter. Und haben dann zu lauschen. Um vielleicht eine tiefere Wahrheit zu hören als wir erwartet haben.
Das Vorgehen heißt „proprioceptive writing“, etwa: das wahrnehmende, fühlende Schreiben, und wird genau erklärt von Linda Trichter Metcalf und Tobin Simon in „Writing the Mind Alive …“.
Sich selbst zu zu hören wie beim „proprioceptive writing“ ist die Voraussetzung dafür, dass wir eine eigene authentische Stimme entwickeln, an der unsere Leser uns erkennen und der sie vertrauen. Unsere Texte bekommen durch die „voice“ eine eigene unverwechselbare Melodie, genau wie ein Musikstück.
Bei Peterson und Freyman habe ich außerdem eine beglückende neue Definition von Authentizität gefunden. Authentizität, das Konzept ist mittlerweile leider sehr en vogue, schändlich überstrapaziert und damit nichtssagend geworden. Die Definition der beiden Autorinnen schenkt uns eine frische Sicht auf diesen Aspekt der Autoren-Stimme: Authentizität ist „the intimate knowledge of your subject“. Im Falle eines Memoirs ist es also die genaue Kenntnis der eigenen Person, des eigenen Innenlebens. Und diese Sicht wird in einer authentischen Stimme glaubwürdig transportiert. Damit kann ich leben.
Sich selbst zuzuhören, eine eigene, unverwechselbare Stimme zu entwickeln und sich selbst genau kennen zu lernen – das sind Schritte auf dem Weg zu einem guten Memoir, aber auch zu einem guten Umgang mit unseren manchmal schmerzhaften Erlebnissen der Vergangenheit.
„Writing memoir can even help heal trauma“, schreiben Peterson und Freyman. Peterson hat es selbst erlebt: Sie schrieb immer wieder über den Selbstmord einer Freundin – es wurde schließlich ein Ritual, das sie an jedem Sterbetag wiederholte. Immer nahm die Geschichte eine etwas andere Form an. Bis Peterson sie schließlich veröffentlichen konnte, als heilsame Geschichte, in der sie einen Umgang mit dem Verlust fand.
Eine To-Do-Liste wurde der Schlüssel für Ihre persönliche Heilungs-Formel. Diese Liste hatte sie nichtsahnend kurz vor dem Tod der Freundin geschrieben:
1) Finish chapter 10
2) Laundry
3) Defrost fridge
4) Meet P.N. at farmers‘ market (rhubarb?)
Ihre Lebensformel fand Peterson in den täglichen Pflichten, den Alltagsritualen – in einer Erkenntnis, die ihr täglich Kraft gibt und mit der sie ihr Buch beendet – so wie ich heute diesen Blog-Beitrag:
„So lange Waschmaschine und Trockner laufen, kann ich mir sagen, dass ich sicher bin und dass meine Lieben sich entscheiden, an meiner Seite weiter zu leben. Da gibt es Wäsche, die gemacht werden muss und so viele andere Aufgaben – Lebensaufgaben. Denk an all die Aufgaben, die wir noch erledigen dürfen, leise, auf unseren Knien- weil das Zuhause heilig ist.“