ich oute mich heute. Ich bin ein Achtsamkeits-Fan. Es ist ein so einfaches, einleuchtendes und wirksames Konzept, dass man sich fragt, warum es erst heute entdeckt worden ist.
Ach, ja, ist es ja gar nicht. Achtsamkeit wird zwar werbewirksam missbraucht – damit wir mehr Bücher und Tee kaufen oder Seminare buchen. Aber: Achtsamkeit gibt es schon seit Jahrhunderten, Jahrtausenden wahrscheinlich, in allen Kulturen und Religionsrichtungen wird es auf die ein oder andere Weise umgesetzt.
Unsere Großeltern und Urgroßeltern praktizierten Achtsamkeit ganz ohne Achtsamkeits-Trainings. Sie waren ja nicht so abgelenkt durch digitale Medien, hatten von Globalisierung noch nichts gehört und mussten ja mittags was Ordentliches auf den Tisch kriegen. Sie waren achtsam, ohne es zu wissen.
Mir ging es ähnlich. In meiner Weiterbildung zur Poesie- und Bibliotherapeutin lernte ich „reflexive Sinnlichkeit“. Damit ist gemeint, mit allen Sinnen zu spüren, was gerade in uns und um uns passiert. Zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu ertasten, zu riechen, zu erspüren, zu erahnen – je nach Situation. Dies ist der sinnliche Part.
Dazu kommt dann der reflexive Teil und das heißt, dass wir auf dem Fundament unserer Wahrnehmungen denken und handeln. Ich muss Euch sagen: Besser kann man sich nicht für Alltagsherausforderungen wappnen. Oder auch für Krisen und ganz große Herausforderungen.
Aber muss man dafür so große Worte finden oder gar eine Ausbildung absolvieren?
Ich denke, es gibt Phasen im Leben, in denen glauben, wir hätten keine Zeit für das In-uns-hineinhorchen. Wir glauben, wir müssten funktionieren und schalten Gefühle und Empfindungen ab. Das entspricht einem körpereigenen Schutzprogramm, wie es auch bei Traumatisierung und großem Stress startet. Wenn wir diesen Schutz nicht zurück fahren, dann können wir Achtsamkeit wohl tatsächlich verlernen. Und riskieren in manchen Fällen sogar Depressionen oder Herzinfarkt.
In der Uni lernt man das Denken zum Schutz vor dem scheinbar Unkontrollierbaren. Eine Frau, Coach wie ich, die seit vielen Jahren an einer großen Universität mit AbsolventInnen arbeitet, erzählte mir, wie schwer sich Studierende, Promovierende, erst recht Lehrende mit kreativen Methoden tun. Es scheint, als fürchteten sie sich vor den Empfindungen, die durch diese Ansätze zutage treten. Zum Glück gibt es kluge Leute, die das Rad zurückdrehen. In Hamburg findet Ende der Woche etwa eine Tagung zur „Achtsamkeit an Hochschulen“ statt. Innovativ und überfällig.
Genug reflektiert, zurück zum Spüren. Ich darf Euch heute mein Geheimrezept für mehr Achtsamkeit verraten. Es lautet: Spielen. Mit Kindern, ohne Kinder. Geht beides. Aber lieber mit Kindern. Mein Sohn spielte auf dem Weg in den Kindergarten mit mir dieses Spiel: „Du darfst nicht auf die Ritzen zwischen den Steinen treten und nicht auf Blätter!“
Ich habe es versucht, zwanzig Minuten lang bin ich auf Zehenspitzen, auf Hacken, seitwärts, springend, schreitend, mit den Armen rudernd, stolpernd, aber ohne auf Ritzen und Blätter zu treten, in Richtung Kindergarten gegangen. „Boy, war ich achtsam und in der Gegenwart.“
Hat dies auf Schreibstudio rebloggt und kommentierte:
Wie wohltuend, im Vorweihnachtstrubel Birgit Schreibers Artikel über das Wiederfinden der Achtsamkeit zu lesen. Da zur Zeit vor allem mein umtriebiges Pseudonym schreibt und ich zwischen Seminarvorbereitungen und Lektoraten die kleinen Schreibzeiten für mein Memoir nutze, reblogge ich diesen schönen Artikel, statt selbst einen zu schreiben 🙂 Taucht ein in Birgits Einladung zur Achtsamkeit!
Liebe Birgit,
darf ich als ZUGABE zum Thema Achtsamkeit nachfolgend den Link zu meiner ReZENsion meines Achtsamkeits-Vademekums hinterlassen?
https://leselebenszeichen.wordpress.com/2012/12/30/der-tigerbericht/
Nachtaktive Grüße
Ulrike von Leselebenszeichen