Aus aktuellem Anlass – Schenken und andere weihnachtliche Herausforderungen

Joachim Ringelnatz:

Schenken

Schenke groß oder klein,
aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen;
Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
Was in Dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So dass die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.

Mit dieser erschöpfenden Anleitung zur weihnachtlichen Geschenke-Praxis hat Ringelnatz alles Wesentliche gesagt und dieser Beitrag könnte hier enden.

Aus schmerzlicher Erfahrung möchte ich nur noch ein Problem schildern.  Was ist, wenn „meine Meinung, mein Geschmack, mein Humor“ zu Ideen für Weihnachten führt, die mein Budget übersteigen. Setze ich mich darüber hinweg und schenke trotzdem „herzlich und frei“? Und hoffe, dass im Januar unerwarteter Auftragssegen das Loch auf dem Konto füllen hilft?

So habe ich für eine befreundete Familie gestern auf dem Weihnachtsmarkt das ideale Geschenk entdeckt: Ein Insekten-Hotel. Da können es sich Bienen, Spinnen und andere Tierchen gut gehen lassen. Und die naturliebende Menschen-Familie kann ihnen dabei zuschauen. Das Hotel ist formschön, aus natürlichen Materialien, lehrreich, nützlich. Der Preis: ein paar hundert Euro. Schluchz.

Und dann ist da auch noch die andere Seite der Medaille : Das Geschenke-Annehmen. Das ist nicht immer leicht, vor allem, wenn das, was geschenkt wurde, nicht den eigenen Ansprüchen entspricht. Wie sagt man: „Kann ich das umtauschen?“ ohne zu verletzen?

Unbeschadet überstehen dies wohl nur sehr geübte Freundschaften, Partnerschaften und – in Ermangelung von Alternativen – die Eltern-Kind-Beziehungen. Wenn der neue Pulli meiner zehnjährigen Tochter nicht gefällt („Der ist so uncool“), dann muss ich ihn umtauschen. Oder ertragen, dass er im Schrank verstaubt. Punkt.

Ganz schlimm aber, wenn die eigenen Kinder etwas schenken, das nicht gefällt.  Also vorgestern warnte mein Sohn mich, dass ich ein Geschenk „in Jungsfarben“ bekommen würde: Blau, dunkelst-grün, schwarz, schmutzigbraun. „Wunderbar“, sagte ich leichthin. Und meinte es noch ganz ehrlich, denn eine weitere Lieblingsfarbe meines Sohnes ist weihnachtliches Rot.

Dann kam die Weihnachtsfeier in der Kita. Die Kinder sangen mit ihren Erziehern ein Lied, nur den Refrain, zum Rest waren sie beim Üben nicht gekommen. Die Erzieher Konnten die Melodie des Liedes auch nicht recht, so dass die von den Eltern zu singende Strophe ein sonores, vielstimmiges Brummen war. Die Kinder, so muss man zugeben, waren im Vergleich „the Voice of Germany“.

Mir war nicht sehr weihnachtlich, trotz der gelungenen Deko in der Eingangshalle. Hier sei mir eine Anmerkung erlaubt: Wir sind begeistert von den Männern, die im Kindergarten unseres Sohnes arbeiten (siehe auch mein Artikel zum Thema „Männer in Kitas“ in Psychologie Heute). Bessere Voraussetzungen dafür, dass  ein neues Geschlechterbild entsteht, können die Kinder kaum haben.

Nebensächlich auch, dass die jungen Männer nicht so bewandert im Basteln und Singen sind. Das führe ich auch nicht auf ihre Gene zurück, sondern auf individuelle Vorlieben und Erziehung. Und ganz ehrlich: Welche noch so gekonnt eingeübte Kindergartenaufführung ist schon reif für den Oskar?

Das alles sagte ich mir gestern und freute mich auf die selbst gebackenen Kekse. Dann erhielt ich mein Geschenk: Eine kleine Holzkrippe, die mein Fünfjähriger bemalt hatte. Ihr erinnert Euch – in „Jungsfarben“, ohne Rot. Ihr versteht?

Wir haben sie heute morgen gebührend bewundert. Und, ob ihr es glaubt oder nicht, ich finde sie mittlerweile sehr gelungen, weil so realitätsnah.  (Im Coaching nennt man das übrigens Reframing, wenn man Dinge aus einer neuen Perspektive betrachtet.) Denn wer glaubt schon wirklich, dass Maria und Joseph in einwandfrei sauberen und strahlend bunten Kleidern um ein rosiges Christkind in einem Stall standen – zwischen Kuhdung und Eselsäpfeln? Da sind „Jungsfarben“ einfach viel passender.

Mein Sohn hat Ringelnatz‘ Rat befolgt und „reinen Gewissens“ und nach „eigenem Geschmack“ geschenkt. Das Rezept hat sich bewährt. Das Wichtigste wissen meine Kinder ohnehin: Dass ihre Geschenke sie selber sind.

 

 

 

Das ist die Frage, die uns in diesem Sommercamp besonders beschäftigen wird! Um sie zu beantworten, wollen wir nach Herzenslust fabulieren, fantasieren und Geschichten zu schreiben, die uns unserer Version von Freiheit näher bringen.

Im Sommercamp teile ich deshalb Schreibeinladungen und Imaginationen für drei entspannte Urlaubswochen. Nutze sie, wo immer du möchtest, zu Hause, am Strand, in den Bergen oder anderswo und erlebe jeden Tag ein bisschen deutlicher, wie sich Freiheit anfühlen kann!

Auf in einen wonnevollen Schreibsommer!

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