„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ (Pablo Picasso)

Diesen Satz des weltberühmten Malers, Bildhauers und Herzensbrechers Pablo Picasso haben wir uns gestern zu Herzen genommen und sind in die Bremer Kunsthalle gegangen.

Und zwar ab 18 Uhr, beginnend mit der öffentlichen Führung durch die Ausstellung „Sylvette, Sylvette“ – Porträts einer relativ unbekannten Muse des großen, wenn auch körperlich kleinen, Picasso.

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Danach wollten wir, die Teilnehmer meiner Reihe „Schreiben als Weg – Schreibend den Alltag meistern“ vor ausgewählten Bildern schreiben und uns unsere Texte anschließend vorlesen. Das sollte zu Speisen von der Picasso-Speisekarte im Gartenrestaurant geschehen, während wir von Frühlingsgrün und -blüten umgeben sind. Das haben wir gemacht.

Wie es war? Was soll ich sagen: Der Staub des Alltags war um halb zehn Uhr abends vollends abgewaschen. Und das lag nicht allein an Picasso, aber auch.

Kunst, vor allem geliebte Bilder, haben es an sich, dass wir uns bei ihrer Betrachtung geborgen fühlen, dass wir uns erinnert fühlen an frühere schöne Erlebnisse, die wir noch in uns tragen mögen oder aber nie erlebt haben und uns vorstellen und spüren in Schemen und Szenen. Sie sind dann plötzlich ganz real.

So ging es uns beim Betrachten mancher Bilder, aber wir waren auch manchmal irritiert, selbst von den vordergründig „schönen“ Porträts. Und auch das ist ja kunstspezifisch: Wir erkennen zunächst eine Schicht, dann erschließen sich weitere Gefühlswelten und Perspektiven, die alle zunächst unsichtbar im Bild angelegt sind.

Die meisten Porträts zeigten Sylvette, das 19jährige Modell, das Picasso in den 50ziger Jahren zum Star malte. Vor allem die kubistischen Darstellungen, Augen in unterschiedliche Richtungen, ein Dreieck als Nase, Spiralbrüste, hatten etwas Irritierendes. Und wer kennt das nicht aus dem eigenen Leben, das Irritierende, Ängstigende? Viele von uns haben schon erfahren, dass etwas, das wir kennen und lieben, sich verändert, nicht mehr verlässlich erscheint, sondern womöglich grotesk wie die Schönheit auf Picassos Bildern.

Schönheit und ihre Definition, die Vielfalt von Blickwinkeln und Wahrheiten – die Picasso in seinen vielen Versionen von Bildern auslotete, das Verhältnis von Objekt und Betrachter, nicht zuletzt von Maler und jungem Modell, das waren einige der Themen, über die wir sprachen oder schrieben.

Das taten wir vor Bilder, die uns besonders ansprachen – positiv oder negativ. Das war nicht ganz einfach. D. fühlte sich geradezu von der Aufseherin verfolgt, die ständig um sie und ihren Block herum scharwenzelte. Schließlich floh D. in einen anderen Raum.

K. fand ein geliebtes Bild und versank in der Betrachtung, aber die Stimmen der Besucher, die immer neuen Gruppen, die durch die Räume strömten, lenkten sie ab, drohten ihre Aufmerksamkeit zu zerstreuen. Die Konzentration auf ein einziges Bild half ihr wie ein Mantra sich wieder zu fokussieren, und diese Erkenntnis nimmt sie neben allem anderen in den Alltag mit.

Zum Schluss hatten wir unseren Alltag komplett vergessen. Demnächst wollen wir im Foyer des Bremer Theaters Bilder anschauen, die Picassos Modell Sylvette selbst gemalt hat. Wir freuen uns schon wieder darauf, den Alltag dort zu vergessen.

Euch schreibe ich jetzt noch ein, zwei, drei kleine Texte, sogenannte Verdichtungen auf, die aus den längeren Texten gestern entstanden sind. Bis bald in der Kunsthalle oder anderswo …

In Begleitung eines Buddha,
kann nichts schiefgehen.
Wir träumen von der Hoffnung und vom Morgen am Ende der Nacht.
Alles wird gut, nichts kann schiefgehen.
In Begleitung eines Buddha.

Ein Blick, zwei Blick, drei Blick
alle auf das Gleiche gerichtet, aber alle verschieden.
Wie viele Wahrheiten gibt es zur selben Zeit, am selben Ort?
In mir, in Dir, in Euch
konkurrierende Sichten
aber schließlich auch zärtliche Übereinkunft.

Verstörend
der Wärter
beäugt seine Bilder
bewacht mich, lähmt meinen Stift
Argusaugen

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