„Mach es allen recht!“ so lautet ein beliebter innerer Befehl, den ich seit Geburt meiner Kinder annähernd perfekt beherrsche (oder beherrscht er mich?) und den vor allem Frauen zu mir mit ins Coaching bringen.
Die Transaktionsanalyse kennt noch weitere innere Anweisungen, mit denen wir uns – beruflich und privat – antreiben: Wir hetzen durch den Tag: „Beeil Dich!“, wir bemühen uns um Glanzleistungen: „Sei perfekt!“, wir stecken Niederlagen weg: „Sei stark!“, wir puschen uns bis zum Limit: „Streng Dich an“. – Manchmal helfen uns diese Strategien, manchmal sabotieren wir uns mit ihnen.
Gestern lernte ich B. kennen, die Mutter von R., der fünf Jahre alt und mit meinem Sohn Max befreundet ist. Sie brachte R. zum Playdate zu uns. Ihr zweites Kind, ein Baby, trug sie unter dem Arm. B. ist eine kluge Frau. Seit vier Wochen ist ihre Babypause vorbei und sie arbeitet wieder in einer Kanzlei für Wirtschaftsrecht.
Von Bs. Idee, schwanger zu werden, hatten ihre Chefs nicht viel gehalten: Eine aus ihrer eigenen Firma, eine echte Rechtsanwältin, kriegt Kinder? Unvorstellbar. Das tun doch nur andere Frauen. Zum Beispiel ihre eigenen. Und die hören dann auf zu arbeiten.
Und kriegen mehr Kinder. Wie die Frau von Bs. Chef., eine Rechtsanwältin. Als sie zum vierten Mal schwanger war, hatte der Chef behauptet: „Das wurde auch Zeit, es wurde langsam langweilig zu Haus“.
B. fragt sich, wie er das wissen kann, denn meist ist ihr Chef nicht daheim, wenn die Kinder wach sind. Und nachts, wenn er heim kommt, schlafen sie. B. glaubt, das könne dann tatsächlich recht langweilig sein.
B. hat zuhause mit zwei Kindern keine Langeweile. Trotzdem kam sie im Juni zurück in die Firma. Ob sich ihre Chefs über Ihre Rückkehr gefreut haben, weiß sie nicht. Jedenfalls haben sie kurz vor ihrer Rückkehr einen Neuen eingestellt und ihm B.s Büro gegeben. B. hatte erstmal keinen Schreibtisch mehr.
Warum ich Euch das erzähle? Nicht etwa, weil es ein Beispiel für menschliche Saurier mitten unter uns ist. Sondern, um zu illustrieren, wie schwer es Müttern, Nicht-Müttern, modernen Vätern und anderen gemacht wird, „es allen recht zu machen“.
Leider kommen die Anweisungen aus allen Richtungen. Als ich einer Bekannten, einer Geschlechterforscherin, vor einigen Jahren mitteilte, ich würde heiraten, sagte sie mir: Sie könne sich darüber als Feministin nicht besonders freuen. Ich gab ihr trotzdem einen Sekt aus.
Vorgestern las ich in der Zeitung von einer aktuellen Studie, die zeigt, dass von der Leyens Familienpolitik Früchte trägt: Die gut ausgebildeten Frauen bekommen Kinder und gehen nach einem Jahr zurück in den Job. Die Wirtschaft freut sich sehr über die Fachkräfte. Die dritte Familienministerin nach Einführung des Elterngeldes freut sich nicht. Die Geburtenstatistik leidet: Die wenigstens Frauen entscheiden sich nach dem ersten Kind, auch noch ein zweites zu bekommen. B. findet, das sei nicht verwunderlich.
„Mach’s allen recht“ – diese Anweisung lässt sich beim besten Willen nicht ausführen. Zu schnell wechseln die Trends, zu flüchtig ist der Zeitgeist, zu viele Menschen stellen widersprüchliche Ansprüche. Wenn außerdem noch „Sei perfekt“ an uns herangetragen wird, wird es wirklich kompliziert. Da hilft alles „Streng dich an“ nicht, höchstens noch „Sei stark“.
Zum Glück gibt es eine Gegenstrategie, die – wie ihr Euch denken könnt – mit der Macht der Worte zusammenhängt. Jedenfalls formuliere ich meine Antreiber nach Bedarf und mit gutem Erfolg um. Und schlage diese Möglichkeit auch meine Coachees vor. Dann klingen die Befehle schon fast nach Erlaubnis. Meine allerliebste Anweisung an mich selbst lautet so: „Liebe Birgit, mach es Dir selbst recht!“
Hast du Lust gemeinsam zu schreiben?
ONLINE: Neujahrs-Schreibcamp 24 - 25
12 Schreibeinladungen & 2 Zoom-Treffen
Bis 31.12 kannst du dich noch anmelden.
Was für ein Jahr! Höchste Zeit, zurück zu blicken, das Schöne zu würdigen und auch das Schwierige. Lass uns ein denkwürdiges Jahr verabschieden und ein neues mit Hoffnung und klarem Fokus willkommen heißen.
Die Live-Workshops haben bereits mehr als zehn Jahre Tradition: Jedes Jahr aufs Neue haben Teilnehmer:innen und ich erlebt, wie wunderbar die „Wünsche in Worte-Methode“ wirkt.
Ich habe sie in „Schreiben zur Selbsthilfe“ (2017, 2022) beschrieben, und sie hat vier Schritte. Und ich lade dich ein sie gemeinsam mit mir und den Teilnehmer:innen zu gehen.
Auf in ein wundervolles neues Jahr!
geschenkt
Liebe Birgit ! Heute schreibe ich Dir mal wieder als beständige Blog Leserin.
Natürlich freue ich mich, dass Hinschauer, und Lebensstrukturbedenkende, nach meiner Wahrnehmung, häufig .. – innen, also weiblich sind. Andererseits könnte sich das auch ändern.
Ich hätte da mal so eine Idee für Deine Freundin B und für viele Frauen. Wie wär’s denn mal mit einem bzw. vielen Geschenkpäckchen an die Männer der Welten (auch rechts-an-welten) mit ihrem jeweiligen persönlichen Inhalt, der bestehen könnte aus: Sei perfekt! ; Sei anderen gefällig!; Streng Dich an !; Sei stark ! (z.B. im Denken).
Nach meiner Einschätzung wäre das nicht nur ein gutes Geburtstagsgeschenk.
Lieben Gruß Regine