Meine Oma trug am liebsten breitkrempige Hüte. Viele waren grau, manche schwarz, einen umringte ein breites Satinband in passender Farbe. Diesen Hut habe ich aufgehoben. Ich nehme ihn manchmal aus der Schachtel und betaste ihn: fester, samtiger Stoff, er gibt Halt und ist weich zugleich. Ganz wie meine Oma.
Ich liebte es, als Kind mit den Hüten auf dem Kopf vor dem Spiegel zu posieren. Am liebsten noch ein abgelegtes Kleid meiner Mutter dazu, vorzugsweise mit Tüll und Petticoat, und mein Kindheitsglück war perfekt: War ich nicht die perfekte Dame? An anderen Tagen fühlte ich mich mehr zu den strengeren Ensembles hingezogen: ein Fischgrät-Blazer, ein grauer Staubmantel, eine schwarze Aktentasche: Da war ich ganz die Chefin, fand ich.
Der Spaß am Rollenwechsel ist geblieben. Auch heute trage ich ganz verschiedene Hüte, verschiedene Outfits – je nach Anforderung. Schlabberjeans und T-Shirt auf dem Spielplatz, den Blazer mit den Schulterpolstern für den Vortragsabend in der Uni, die schicke lila Jacke für die Moderation, mein Lieblingskleid für die stilsicheren Frauen aus der Coaching-Gruppe.
Doch manchmal wird aus dem Spaß Ernst. Das passiert zum Beispiel, wenn ich die Kleider zu schnell wechseln muss. Meine Mutterseele spielt noch im Sandkasten auf dem Spielplatz, während die Manager auf klare Ansagen von mir warten. Oder umgekehrt: Ich bin kurz davor, meine Kinder coachingmäßig zu fragen, wo sie in fünf Jahren stehen wollen, während die bloß Pommes mit Majo wollen und zwar sofort.
Sieben Hüte ist genug, sagt Lothar Seiwert in seinem Buch: „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“. Mehr Hüte und damit mehr Rollen im Leben bedeute, dass wir uns verzetteln. Seiwert rät: Setze täglich und monatlich und jährlich und ein Leben lang Prioritäten und lebe danach.
Kluger Rat, aber leider in meinem Leben manchmal nicht ganz umsetzbar. Ich bin zweifache Mutter, Hundehalterin, Ehefrau, Schreibdozentin, Sozialforscherin, Journalistin, Moderatorin, Coach, Freundin, Tanzpartnerin, Schwester … Das birgt viel Potential für Kollisionen. „Eindeutig zu viele Hüte“, wenn ich Herrn Seiwert glaube.
Doch: Die meisten Rollen könnte ich gar nicht ablegen. Die anderen möchte ich nicht ablegen, statt dessen erlaube ich mir Puffer, wenn es geht, und Humor, wenn es nicht geht. Dann koche ich eben mit Schulterpolstern, die Nudeln schmecken trotzdem …
Mich würde interessieren: Welche Lösungen findet Ihr für Eure vielen Hüte? Ist Euch einer davon lästig und wollt Ihr ihn abgeben? Und welche Hüte tragt ihr am liebsten?
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Auf in einen wonnevollen Schreibsommer!