„Morgens – mittags -abends? Gibt es Do’s and Dont’s beim Journaling?“


Journal Writing – ganz so wie es Dir gefällt! Das ist das Motto in meinen Kursen.

Folgen wir Lothar Seiwert, seines Zeichens Zeitmanagement-Guru, dann gibt es acht Regeln fürs Tagebuch schreiben, darunter diese:

„Noch bevor Du den ersten Menschen am Tag gesprochen hast, schreibe Deine frischen Gedanken auf. So kommt es ungefiltert und unverfälscht aus Dir heraus.“
(Start Your Bullet-Journal, S. 31).

Auch Julia Cameron empfiehlt, die Morgenseiten „first thing in the morning“ zu schreiben, um „die Seele abzuschrubben“ und im Inneren aufzuräumen. Dazu soll der Seelen-Müll möglichst ungefiltert aufs Papier fließen.

Dieser Idee kann jede von uns etwas abgewinnen, denke ich. Wir alle haben erlebt, dass sich aus Gefühlschaos plötzlich ein guter roter Handlungsfaden entwickeln lässt. Oder dass ungeordnete Ideenfetzen plötzlich einen sinnvollen Gedankengang ergeben und vielleicht sogar eine Lösung für ein Problem auf dem Papier erscheint.

Doch manchmal mag uns das nicht gelingen. Und das kann ganz unterschiedliche Gründe haben.

Was tun, wenn die Zeit fehlt?

Zum einen geht „es sich“ an einigen Tagen „einfach nicht aus“, wie es im Österreichischen so schön heißt, mit dem morgendlichen Schreiben, stimmt’s?

Zum Glück steht fest: Journal schreiben lohnt sich immer. Morgens – mittags – abends.

Macht nix, sagt Kathleen Adams. „Es gibt keine Regeln – nur Vorschläge“ (Kathleen Adams im Workbook JTTS). Einer liegt ihr am Herzen: „Datier Deine Einträge“. Das Datieren erlaube uns später, unsere Entwicklung in den Texten nachzuvollziehen. D’accord.

Abgesehen davon: Jede von uns darf ihre beste Zeit zum Schreiben finden, wir dürfen experimentieren, variieren und auch mal gar nicht schreiben.

Richtig gehört: Pausieren ist okay! Auch monatelang, wenn’s sein muss.

Das ist der zweite befreiende Aspekt, nicht nur der Zeitpunkt, auch die Frequenz des Schreibens obliegt ganz und gar unserem Geschmack.

Obwohl der Begriff „Journal“ aus dem 17. Jh. und vom französischen Adjektiv „journal – jeden einzelnen Tag betreffend“ hergeleitet ist, dürfen wir den Abstand unserer Einträge selbst bestimmen.

Egal, ob einmal, zweimal, dreimal die Woche – oder auch einmal im Monat – wir dürfen unser Tagebuch weiterhin Journal nennen und uns selbst als ernstzunehmende Journal-Schreiberinnen fühlen.

In 30 Jahren hat Kathleen Adams allerdings sehr viel von ihren Klient:innen gelernt. Für die meisten funktioniert das Journal am besten, wenn sie zwei bis dreimal die Woche 5 bis 20 Minuten schreiben. Dieser Richtwert liegt nicht weit entfernt von den Empfehlungen Jamie Pennebakers.

Aus dem Leid herausschreiben

Pennebaker, der Mann, der das expressive Schreiben erstmals erforscht und seine Wirkung belegt hat, erzählte mir, dass er selbst auf keinen Fall täglich schreiben wolle.

Er empfehle schreiben nach Bedarf und hat kein Problem mit monatelangen Schreibpausen.

Und selbst nach schweren Lebensereignissen, die nun wirklich einen Anlass bieten, empfiehlt er für das Schreiben sein Paradigma, d.h. je zwanzig Minuten an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Der Grund: Die Begrenzung bietet einen Schutzraum – auch vor Flashbacks. Die wechselnden Perspektiven lenken den Fokus, so können Menschen sich aus dem Leid herausschreiben und nicht immer tiefer hinein.

Das war Kathleen Adams am Anfang ihrer Berufslaufbahn passiert, als die junge Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik arbeitete. Wer an Depressionen oder Posttraumatischer Belastungsstörung litt, profitierte nicht vom freien Schreiben. Im Gegenteil: Depression und Trauma nahmen zu. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte Adams die Journal Ladder, ein System, das hilft, Schreibanregungen passend zum Thema und zur Person zu wählen.

Je höher auf der Journal Ladder wir steigen, desto weniger Struktur, Containment (Halt) und Pacing (Rhythmus und Tempo) bieten die Anregungen:

Anregungen auf der untersten Stufe der Ladder bieten sich zum Beispiel an, wenn wir uns von Eindrücken überflutet oder überfordert fühlen: Sie geben uns Halt und Struktur.

Das freie Schreiben ist auf der obersten Stufe angesiedelt und eignet sich, wenn wir Intuition und Unbewusstes sprechen lassen wollen.

Dazwischen liegen Anregungen für alle möglichen Lebenssituationen und seelischen Bedürfnisse.

Mit der Entwicklung der Journal Ladder hat Adams einen großen Beitrag dazu geleistet, dass Schreiben in Therapie und Beratung sicher und heilsam eingesetzt werden kann. Es ist bislang das einzige mir bekannte System für die professionelle Auswahl von Schreib-Interventionen.

Man könnte die Erfahrung der Journal-Pioniere Adams und Pennebaker auf diese Formel bringen:

In der Wahl der passenden Methode liegt die Kraft des Journaling. 

Und dazu ist noch ein weiterer Faktor wichtig, wie die Hirnforschung nahelegt. Dieser Faktor ist: Unsere Intention.

Laut Deborah Ross, Journal Therapist und Neuro-Expertin ist es entscheidend, ob wir mit Intention schreiben, also ob wir beim Journaling bewusst einer Sehnsucht folgen oder ein Bedürfnis stillen möchten. Wenn wir eine für uns beflügelnde Intention verfolgen, so sagt sie, helfen wir unserem Gehirn dabei, neue Synapsen zu bilden und sich beim Schreiben in eine bereichernde Richtung zu entwickeln. Dabei geht es nicht um Optimierung, sondern darum, uns wohler und mit uns selbst im Einklang zu fühlen.

Wenn Du bei all der Freiheit des Journal Writings einen Anhaltspunkt möchtest, wie Du es in Dein Leben einbauen könntest, dann habe ich diese drei Tipps für Dich:

  • Frag Deinen Bauch, Dein Herz und Deinen Terminkalender, wie oft und wie lang!
  • Frag Deine Sehnsucht und Deine bedürftige Seite, worüber und mit welchem Ziel
  • Schreib das Datum dazu …

Und nun die passende Einladung: 

  • Wonach ist Dir heute?
  • Welche Intention könnte Dein Schreiben heute beflügeln?
  • Welche Schreibanregung könnte dazu passen (Sprungbrett, Dialog, Porträt, Freewriting, Cluster etc.)

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