„Unser Leben in Geschichten“ oder: „Kann frau rückwirkend genießen?“

„Dieselbe Schönheit wird nicht wiederkehren, und nur wenn wir sie jetzt erleben, kann sie uns weiter begleiten und eine Entwicklung in Gang setzen.“
(Knapp, S. 22).

Dieser Satz aus Natalie Knapps Buch „Der unendliche Augenblick“ (2020) hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich neige dazu, Knapp zu widersprechen. Wir können einen Augenblick wieder beleben, in dem wir uns zurückversetzen, die Schönheit oder das Bemerkenswerte an dem Moment erneut ins Bewusstsein holen und mit allen Sinnen spüren. Sodann können wir ihn aufschreiben und bewahren. Manchmal erleben wir ihn womöglich zum ersten Mal bewusst.

Erinnerungsschätze heben

Das ist jedenfalls Menschen in narrativen Interviews so gegangen. Wenn sie ungestört erzählen oder sich von Fragen auf ihrem Erinnerungsweg unterstützt fühlen, dann tauchen nicht selten alte, vergessene Momente aus dem Unbewussten auf. Oft haben sich die Menschen bei mir für diese Interviews bedankt, weil sie ihre wiedergewonnene Erinnerung als so wertvoll empfanden und nun, endlich, bewusst integrieren konnten.

Mir selbst ist es vor kurzem so gegangen, als ich, ausgelöst durch eine Unterhaltung über Teenager, an meine erste Liebe zurückdachte. Plötzlich fielen mir die wachen Augen des rothaarigen Jungen wieder ein und Szenen einer Radtour, die mir ganz und gar entfallen waren. Ich habe mich sehr über diese Augenblicke gefreut und werde sie gleich in eine Momentaufnahme verwandeln.

Die Gegenwart färbt die Vergangenheit

Sicher, die Gegenwartsperspektive, unsere heutige Haltung, die neuen Erfahrungen und unsere Gemütsverfassung bestimmen mit, wie sich ein Augenblick der Vergangenheit anfühlt und wie wir ihn jetzt wieder erleben. Ganz so wie damals wird es nie sein. Dafür haben wir heute die Wahl, wir können uns Momenten zuwenden, die wir wirklich bewahren wollen und können andere weglassen.

Was für ein Abenteuer, schöne Momente aus dem Archiv der Erinnerung zu holen und aufzupolieren.

Ich sage bewusst, schöne Momente, denn was ich in diesem Monat im Sinn habe, ist die Sammlung von stärkenden Erfahrungen. Ähnlich wie bei einer Freudenbiografie im Sinne der Jungianerin Verena Kast (vgl. Schreiben zur Selbsthilfe, Kap. 4).

Da unser Gehirn dazu neigt, schlimme Erfahrungen zu speichern, um uns für neue Gefahren zu sensibilisieren, müssen wir beim Erinnern bewusst gegensteuern und uns um gute Szenen der Vergangenheit bemühen.

Es macht nichts, wenn Ihr schon öfter Momentaufnahmen geschrieben habt. Im Gegenteil. Sie sind eine gute Basis für das, was wir vorhaben.

Ich möchte Euch einladen, in diesem Monat gute Momente und Erinnerungen in Texten zu sammeln und damit Eure persönliche Freuden- und Stärken-Biografie zu beginnen.

Diese Sammlung von Erlebnissen liest sich besonders angenehm an Tagen, an denen unsere Seele im Regen steht oder gar Stürme erlebt. Sie wappnen uns für Krisen und Übergänge, die unausweichlich noch vor uns liegen.

Vielleicht gab es damals schon Kräfte, die uns geholfen haben. Vielleicht hilft uns auch einfach die Erinnerung daran, dass wir es schon einmal in eine neue Lebensphase geschafft haben, obwohl wir verwirrt und unsicher waren. Das Leben besteht aus viel mehr Übergängen, als wir glauben, schreibt Nathalie Knapp.

Habt Ihr Lust zum Schreiben? Dann lasst uns starten:

Am besten gelingt es, eine Freuden-Momentaufnahme zu schreiben, wenn wir uns vorher mit allen Sinnen fokussieren.

Dazu könnt Ihr zunächst einmal wahrnehmen, wir Ihr auf Eurem Stuhl sitzt, wie sich die Lehne und die Sitzfläche anfühlen. Dann nehmt Ihr wahr, wie Euer Atem Euren Körper bewegt, wie sich die Bauchdecke hebt und senkt, wie sich der Brustkorb weitet und wieder verengt, wie sich die Schlüsselbeine heben und senken.

Und spürt Ihr den kühlen Luftzug in der Nase beim Einatmen? Beim Ausatmen könnt Ihr Euch vorstellen, dass Ihr immer mehr zu einem ruhigen Ort in Euch selbst gelangt. Mit jedem Ausatem-Zug ein bisschen mehr.

An einen Ort, von dem aus Ihr einmal schauen könnt, was Euch in den vergangenen Stunden oder Tagen, Wochen oder Monaten … mit Freude oder Zufriedenheit erfüllt hat.

Wenn Ihr weiter in Eurer Vergangenheit zurückgehen möchtet, dann empfehle ich Euch, eine glückliche Phase zu wählen.

Habt Ihr eine Phase gewählt? Habt Ihr eine Erinnerung gefunden, die schön ist und die ihr heute aufbewahren wollt? Dann macht Euch jetzt bewusst, wie Ihr Euch gefühlt habt damals.

Wer wart Ihr? Wie wart Ihr? Wo wart Ihr? Wer war dabei? Was war so angenehm/schön/liebenswert/erfolgreich/…?

Bleibt für mindestens ein, zwei Minuten ganz bei dieser Vorstellung, lasst die Szene sich entfalten.

Dann, nach einer Weile, kommt Ihr zurück mit Eurer Aufmerksamkeit, und schreibt im Präsenz, als ob Ihr alles jetzt erlebt, einen Text über diese vergangene Erfahrung, die ihr eben zu einer neuen gemacht habt.

Schreibzeit:

7 – 12 Minuten (oder so lange ihr mögt).

Das ist die Frage, die uns in diesem Sommercamp besonders beschäftigen wird! Um sie zu beantworten, wollen wir nach Herzenslust fabulieren, fantasieren und Geschichten zu schreiben, die uns unserer Version von Freiheit näher bringen.

Im Sommercamp teile ich deshalb Schreibeinladungen und Imaginationen für drei entspannte Urlaubswochen. Nutze sie, wo immer du möchtest, zu Hause, am Strand, in den Bergen oder anderswo und erlebe jeden Tag ein bisschen deutlicher, wie sich Freiheit anfühlen kann!

Auf in einen wonnevollen Schreibsommer!

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