Das Spiel des Lebens hat zwei „Happy End“

Es gibt dieses Spiel, das „Spiel des Lebens“ heißt. Es ist ein Brettspiel, bei dem die Mitspieler mit ihren Autos durch ihre Biografien fahren. Je nachdem, ob ein Mann oder eine Frau spielt, sitzt in diesem Auto eine rosa oder eine hellblaue Figur am Steuer. Und je nach Kinderzahl sitzen entsprechend viele geschlechtertypisch gefärbte MitfahrerInnen auf der Rückbank.

Mein Sohn hat das Spiel zu seinem 9. Geburtstag bekommen. Auch ich habe es in diesem Alter gespielt, so wie die meisten Menschen, die ich kenne. Ich wünschte, ich hätte damals besser bei diesem Spiel aufgepasst.

Es hätte mir eine Warnung sein können. Gleich zu Beginn (!) des Lebens entscheidet frau sich beispielsweise, ob sie nach rechts geht – in eine AkademikerInnenkarriere oder nach links in einen praktischen Beruf. Das ist absolut realitätsnah: In Deutschland entscheidet das Herkunftsmilieu, also etwa der Reichtum und der Bildungsstand der Eltern,  darüber, wie erfolgreich die Kinder später sein werden (das beklagen Wissenschaftler in ihren Studien jedes Jahr aufs Neue).

Mit der Muttermilch saugen wir auf, ob wir später studieren werden, oder nicht. Das hängt nicht etwa vom IQ ab, den wir erben – oder nur bedingt – sondern vor allem von unseren Prägungen und von dem Lebensstil, den wir erlernen. Habitus nennt ein französischer Soziologe mit Namen Bourdieu diese Ausstattung, für die wir herzlich wenig können.

Damit auch ein Arbeiterkind seine Ausstattung erweitern und erfolgreich studieren kann, gibt es glücklicherweise die gleichnamige Organisation, die Katja Urbatsch, selbst ein Arbeiterkind, gegründet hat. Ihre Organisation hat Ableger an vielen Hochschulen und hilft denen, die einen neuen Habitus brauchen, um in der Berufswelt voran zukommen.

Im Spiel des Lebens habe ich mich gestern für den AkademikerInnen-Weg entscheiden und dann den Jackpot gewonnen – ich zog die Karte Arzt vom Stapel (nicht etwa Ärztin) und verdiente damit an jedem Zahltag 100 000 Euro. Meine Tochter dagegen, die mit der Karte Modedesignerin Vorlieb nehmen musste, verdiente bloß 40.000 im Monat, mein Sohn, immerhin mit seinem Traumjob Sportler ausgestattet, 60.000.

Doch all das nützt einem wenig, wenn das Schicksal nicht mitspielt. Hier eine Klage, dort ein Schaden am Haus, Steuern über Steuern und schon gerät sogar ein Arzt ins Hintertreffen, zeigt mir das Spiel. Wohl wahr. Aber die finanzielle Misere wäre noch viel größer gewesen, wenn ich Verkäuferin bei Schlecker oder Lidl geworden wäre.

Der Spielverlauf (etliche Schäden am Haus und drei Klagen, die von meinem Sohn gegen mich gerichtet wurden) machte mich nachdenklich: Wie wichtig ist Geld für mein Leben?

Meine tatsächliche Berufswahl hatte mit Geld schon mal GAR NICHTS zu tun. Heißt: Mit Schreiben und dem Vermitteln von Schreiben wird Frau nie reich. Und damit fühle ich mich in guter Gesellschaft, denn meinen liebsten KollegInnen geht es ähnlich und es macht ihnen genauso wenig aus wie mir: Besser eine sinnvolle Berufung – als ein Beruf ohne Sinn, also einer, der mir nicht entspricht und mich nicht erfüllt. 

Im Spiel des Lebens geht es dagegen ganz schön oft um Geld und weniger um Sinn. Selbst die Lebenskarten, die man auf manchen Feldern erhält und die dem Dasein erst seine Würze geben, in dem sie einem eine „Auszeit in New York“, einen „Urlaub im Grand Canyon“, „Flitterwochen“ oder „Zwillinge“ verschaffen,  werden jedenfalls am Ende des Lebensspiels auch in Geld umgewandelt. Und gewinnen tut der- oder diejenige mit dem meisten Geld (nicht jene mit der meisten Lebensfreude, den meisten Kindern, den fröhlichsten Partys und den traumhaftesten Begegnungen).

Mein Sohn hat durch das Spiel zumindest einiges an Weisheit gewonnen. Vom Spiel zu folgender Entscheidung gezwungen, fragte er:
„Mama, würdest Du eigentlich eine Karriere und Geld wählen oder Kinder und kein Geld?“
„Ich wand mich: Was würdest du sagen?“
Er: „Beides!“

Meine Tochter –  im Spiel die Modedesignerin mit dem geringsten Einkommen – hat am Schluss übrigens gewonnen. Trotz ihrer drei Kinder. Vielleicht weil sie für sich selbst eine blaue Spielfigur gewählt hat. Über ihren Erfolg habe ich mich mehr gefreut, als mich mein eigener Sieg als betuchter Arzt je hätte freuen können.

 

 

 

 

 

 

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