„Ey, Alter“

Die Sprache verbindet Jung und Alt. Habe ich neulich erst wieder erfahren. Das Alter entscheidet allerdings darüber, was genau die Begeisterung für Buchstaben und Worte auslöst.

„Wie schreibt man eigentlich „ey“?“, fragte neulich mein Sohn auf dem abendlichen Nachhauseweg. Wir waren gerade zwischen zwei Hecken in ein dunkles Stück Fußweg eingebogen, das wie eine Schleuse die hektische Welt da draußen von unserer heimeligen Häuserzeile trennt. Morgens gehen wir durch diesen 50 Meter langen Pfad hinaus in die laute Welt, in der Fußgänger, hupende Autos, grantige Radfahrer unsere gesamte Aufmerksamkeit fordern.

Abends biegen wir wieder in den Weg ein, schlendern zwischen dunklen Hecken und einem dichten Blätterdach zurück in die relative Ruhe, die eine Stadt eben hergibt. Märchenhaft schlängelt sich der Weg im Winter dahin, wenn die Bäume über dem kleinen Weg mit Schnee beladen sind, was leider zu selten der Fall ist. Gruselig windet sich der Weg im November, wenn die Bäume die Blätter fast verloren haben, der Tag um fünf Uhr endet und die knisternde Buchenhecken den Blick auf hoffnungsvolle Fenster verbergen.

Wir bogen also gerade in diesen Weg ein, als Max wissen wollte, wie man „ey“ schreibt. „Ey“ wie in „ey, Alter“, ein Ausdruck, der bei den Grundschülern total hipp, super cool, um nicht zu sagen krass ist – vergleichbar etwa mit dem Computerspiel Minecraft, den neuesten Nerf-Pistolen (mit ihren blauen Schaumstoffgeschossen) und LED-Lichtschwertern. Alle diese Dinge bestimmen die Unterhaltung am Abendbrottisch, was Eltern abwechselnd verwundert, langweilt oder zutiefst deprimiert: Was in aller Welt verbindet mich überhaupt mit diesem kleinen Menschen dort?

„Ey?“, frage ich also zurück, schwer von Begriff, „meinst Du Ei?“

„Nein, ich meine ‚ey’!“.

„Das schreibt man mit E und Y. Weißt Du denn auch, wie man Ei schreibt?“, frage ich, um die Situation pädagogisch wertvoll zu nutzen.

„Mit E und I?“

„Stimmt. Und welcher Laut entsteht, wenn man A und E verbindet?“, eine Frage für Fortgeschrittene.

„Keine Ahnung.“

„Das ergibt Ä.“

„Ey, Alter! Echt jetzt?“

Max ist tief beeindruckt. Ganz was Neues für sein Leseanfänger-Köpfchen.

Hinter uns lacht es, herzhaft, laut und zwei Oktaven tiefer. Wir drehen uns gleichzeitig um und sehen fünf Meter hinter uns einen alten Mann, mit Einkaufstüten, im grauen Mantel und mit schmalkrempigem Hut. Ach so, alles gut, wir gehen weiter.

„Und wie spricht man E und U aus?“
Von hinten, tief und glucksend kommt die Antwort: „Eu“.
Weil wir gerade eine Laterne passieren, sehen wir es: Der Mann zwinkert uns zu und grinst breit. Wir grinsen zurück.
„Was ergibt A und U?“
„Au“, sagen Max und der Mann von hinten unisono.

Dann sind wir am Ende der Schleuse. Wir gehen nach rechts, der Mann nach links, und ich bin froh, dass die kleinen Wunder der Sprache meinem Sohn und mir einen Moment Spaß bereitet haben – und einem wildfremden Menschen gleich mit.

Das ist die Frage, die uns in diesem Sommercamp besonders beschäftigen wird! Um sie zu beantworten, wollen wir nach Herzenslust fabulieren, fantasieren und Geschichten zu schreiben, die uns unserer Version von Freiheit näher bringen.

Im Sommercamp teile ich deshalb Schreibeinladungen und Imaginationen für drei entspannte Urlaubswochen. Nutze sie, wo immer du möchtest, zu Hause, am Strand, in den Bergen oder anderswo und erlebe jeden Tag ein bisschen deutlicher, wie sich Freiheit anfühlen kann!

Auf in einen wonnevollen Schreibsommer!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Ich stimme zu

Nach oben scrollen