Schon mal ein Sonett geschrieben?*(*= vierzehnzeiliges Gedicht italienischen Ursprungs, von sonare=klingen, tönen)

Ja? Respekt. Mir bleibt beim Lesen der Vorbilder von Shakespeare, Gryphius  oder Goethe die Luft weg. Jambus oder Alexandriner als Versmaß, auf jeden Fall aber zwei umarmende Reime in den Quartetten und dann sowas wie cdc/dcd, cde/cde und ccd/eed in den folgenden Terzetten. Außerdem ein Inhalt, deren Bedeutung Jahrhunderte überdauert, angeordnet nach dem Schema These, Gegenthese, Reflexion und Synthese. Bedienungsanleitungen in Chinesisch schrecken mich weniger.

Gemeinsam sind wir stark! Gestern beim Treffen mit Kolleginnen aus der Deutschen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie haben wir uns an die Königsdisziplin Sonett und seine poetischen Brüder und Schwestern heran gewagt. Wir stellten fest, auch wir, die von manchen als Fachleuten fürs Schreiben gesehen werden, sind nicht frei von Schulaltlasten.

Damals im Klassenraum konnten die Lehrer uns mit Versmaß und Reimschema vielleicht vom eigenen Schreiben abhalten. Heute ist das anders. Heute kennen wir Mittel und Wege, um unsere Kreativität unter den Anweisungen und Verboten („Das reimt sich ja gar nicht“) hervor zu locken. Das ist es vielleicht, was uns zu Fachleuten macht – nicht etwaige literarische Höchstleistungen, sondern weil wir Menschen wieder Lust auf Schreiben und auf die eigene Kreativität machen.

Eine Übung hat mir gestern besonders Spaß gemacht. Wir folgten dem Vorbild von Pablo Neruda, der eine „Ode an die Pommes Frites“ geschrieben hat – ihr könnt ja mal googlen). Von der vornehmen Formulierung Ode ließen wir uns zu gediegenen Ausdrücken hinreißen, nicht aber zu Versmaß und festem Reimschema (das verdirbt den Spaß leicht). Hier die Anleitung zum Nachmachen, für alle, die Lust auf ein bisschen Schreibspaß haben:

  1. Sucht Euch ein Lieblingsnahrungsmittel oder Getränk aus.
  2. Schließt einen Moment die Augen, atmet tief ein und aus, erforscht das Nahrungsmittel in der Phantasie mit allen Sinnen (Augen, Ohren, Nase, Mund, Hände)
  3. Schreibt Eure Eindrücke im Freewriting auf (fünf bis sieben Minuten)
  4. Nun lest Euren Text und schreibt daraus eine Ode an Eure Leibspeise. Guten Appetit!

Hier ein Beispiel von mir – damit die Latte nicht zu hoch liegt:

Ode an den Salat

Grün bist Du wie das Leben
vorbildlich, nachhaltig, köstlich
sollst leicht sein, nicht belasten, aber anregen

Dich gut zu zermahlen ist Pflicht
je länger, je lieber – ist gut für den Magen
denn Wiederkäuen können wir nicht

kommst meist in herrlichem Gewand
Sahne geht,  Joghurt ist leichter
besser Öl, Essig oder Schmand

Paradeiser und Gurke machen Dich köstlich
eine Schüssel voll Wiese samt Blumen für mich
Minze und Zitronengras dazu:  fernöstlich

oder griechisch, mit frisch aus der Ziege
geschöpftem Käse plus Feige – ein Gedicht
zusammen mit Dir: meine ganz große Liebe

 

 

 

 

 

Das ist die Frage, die uns in diesem Sommercamp besonders beschäftigen wird! Um sie zu beantworten, wollen wir nach Herzenslust fabulieren, fantasieren und Geschichten zu schreiben, die uns unserer Version von Freiheit näher bringen.

Im Sommercamp teile ich deshalb Schreibeinladungen und Imaginationen für drei entspannte Urlaubswochen. Nutze sie, wo immer du möchtest, zu Hause, am Strand, in den Bergen oder anderswo und erlebe jeden Tag ein bisschen deutlicher, wie sich Freiheit anfühlen kann!

Auf in einen wonnevollen Schreibsommer!

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